Engagementpreisträgerin 2024: Maria Matveev, Lern-Fair e. V.

Für gerechtere Chancen im Bildungssystem mit einer „Win-win-Situation“: „Schüler:innen erhalten kostenlose und digitale Unterstützung und Ehrenamtliche können sich von überall für mehr Bildungsgerechtigkeit einsetzen.“

Der schulische Erfolg hängt in Deutschland nach wie vor stark mit dem sozioökonomischen Hintergrund zusammen. Diese soziale Selektivität des Bildungssystems steht dem Ziel gerechter Chancen für alle im Weg. Über die Online-Plattform www.lern-fair.de unterstützt der gemeinnützige Verein benachteiligte Schüler:innen insbesondere durch die Vermittlung von kostenloser digitaler Lernunterstützung. Seit der Gründung im März 2020 konnten über 16.700 Tandems aus Schüler:innen und qualifizierten Ehrenamtlichen gebildet und begleitet werden. Außerdem wurden über 15.000 Schüler:innen in Gruppenformaten gefördert, zu welchen Wiederholungskurse, Fokusmonate zu außerschulischen Themen sowie Deutschkurse für geflüchtete Schüler:innen zählen. Neben den Angeboten für Schüler:innen bietet der Verein auch ein Fortbildungsprogramm für die bei Lern-Fair Engagierten an, etwa im Bereich digitale Lehre oder zum Thema Bildungsgerechtigkeit.

Maria Matveev promoviert seit 2023 an der LMU München im Bereich mathematische Grundlagen künstlicher Intelligenz. Zuvor schloss sie ein Bachelorstudium im Fach Mathematik in Bonn ab und absolvierte ein Masterstudium im Fach Mathematics in Data Science an der TU München, in dessen Rahmen sie ein Auslandsjahr an der Chalmers University of Technology in Göteborg verbrachte. Während ihres Studiums wurde sie von 2018 bis 2023 von der Studienstiftung gefördert; zudem erhielt sie nach ihrem Masterabschluss ein aus privaten Mitteln der Studienstiftung finanziertes viermonatiges Engagementstipendium.

Die 24-Jährige ist seit 2022 Vorsitzende der Plattform Lern-Fair e. V., die sie 2020 unter dem Namen Corona School e. V. mit anderen Studierenden gründete, und wurde für ihren ehrenamtlichen Einsatz bereits 2021 und 2023 als Finalistin der Engagementpreise ausgezeichnet.

Interview mit Maria Matveev

„Die Idee war simpel, aber so effektiv, dass wir innerhalb von zwei Monaten bereits 5.000 Lernpaare bilden konnten.“

Liebe Frau Matveev, wofür engagieren Sie sich mit Lern-Fair?

Bildungserfolg ist in Deutschland immer noch stark vom familiären Hintergrund abhängig. So ist es zum Beispiel dreimal wahrscheinlicher zu studieren, wenn man aus einer Familie kommt, in der bereits ein Elternteil über einen Hochschulabschluss verfügt. Mit unserer Online-Bildungsplattform Lern-Fair setzen wir genau da an und führen mit unseren ehrenamtlichen Helfer:innen vielfältige und kostenlose Lernformate für benachteiligte Schüler:innen durch. Das schafft eine Win-win-Situation: Die Schüler:innen erhalten kostenlose und digitale Unterstützung, insbesondere Nachhilfe; und Ehrenamtliche können sich mit geringem Zeitaufwand, flexibel und durch die digitalen Möglichkeiten von überall für mehr Bildungsgerechtigkeit einsetzen – und dabei selbst viel lernen. Seit unserer Gründung im März 2020 unter dem Namen Corona School konnten wir bereits über 15.000 Schüler:innen deutschlandweit unterstützen.

Warum engagieren Sie sich persönlich bei Lern-Fair?

Lern-Fair entstand in den ersten Tagen der Corona-Pandemie. Durch die Schulschließungen waren Millionen von Schüler:innen plötzlich im Homeschooling auf sich alleine gestellt. Wir wollten denen helfen, die es am schwersten haben. Daher haben wir begonnen, Schüler:innen und Studierende für kostenlose digitale Lernunterstützung im 1:1-Format zu verbinden. Die Idee war simpel, aber so effektiv, dass wir innerhalb von zwei Monaten bereits 5.000 Lernpaare bilden konnten. Auch nach der Pandemie besteht weiterhin Bedarf, für mehr Bildungsgerechtigkeit zu sorgen. Dafür setzen wir uns mit Lern-Fair ein.

Was war Ihre bislang prägendste Erfahrung?

Die vielen Rückmeldungen der Schüler:innen, Helfer:innen und Eltern schärfen meinen Blick auf das Bildungswesen und die ungleichen Chancen und zeigen mir so, wo wir mit Lern-Fair hinmöchten. Darüber hinaus durfte ich erleben, wie wertvoll gute Teamarbeit ist und wie viel man gemeinsam bewegen kann. Der gesamte Aufbau der Plattform aus dem Nichts, die stetige Weiterentwicklung und unsere Visionen für die Zukunft – das ist nur mit einem tollen Team zu schaffen.

Welche Rolle haben Sie bei Lern-Fair, was sind Ihre Aufgaben?

Die Corona-Pandemie war der Auslöser für die Gründung unserer Plattform, und das Corona-bedingte Online-Studium hat mit seiner Flexibilität viele Facetten meines Engagements ermöglicht. Vorlesungsvideos, Übungsaufgaben, Lern-Fair-Calls und die Projektarbeit konnte ich so zeitlich flexibel jonglieren. Seit ich promoviere, beschränkt sich mein Engagement auf die frühen Morgenstunden, späten Abende und das Wochenende. Meine Tätigkeiten als Vorsitzende sind vielfältig: Mal bereite ich eine Call-Agenda vor, rede mit potentiellen Kooperationspartner:innen oder werte Statistiken aus, um unser Angebot auf empirischer Grundlage noch wirkungsvoller gestalten zu können.

Was sind die nächsten Projektziele von Lern-Fair?

Wir konzentrieren uns in den nächsten zwölf Monaten insbesondere auf den Aufbau von Kooperationen – mit Universitäten, mit Schulen und mit Unternehmen. Dadurch wollen wir einen kontinuierlichen Zuwachs an Ehrenamtlichen erreichen und gleichzeitig benachteiligte Schüler:innen gezielt auf unser Angebot aufmerksam machen. Gleichzeitig arbeiten wir an einer verbesserten Unterstützung der Helfer:innen und Schüler:innen, die derzeit die Plattform nutzen und gestalten.

Wie können Personen die Arbeit von Lern-Fair unterstützen?

Am dringendsten benötigen wir helfende Hände: Bei Lern-Fair kann man sich flexibel und mit verschiedenen Lernangeboten engagieren: Sie können zum Beispiel einmal pro Woche eine:n benachteiligte:n Schüler:in individuell bei den Schulaufgaben unterstützen oder Gruppenkurse leiten. Außerdem sind wir als gemeinnütziger Verein auf finanzielle Unterstützung angewiesen, um die Plattform betreiben und weiterentwickeln zu können.

Wie verlief Ihr Weg zur Studienstiftung? 

Ich bin in meinem ersten Semester über einen Schulvorschlag aufgenommen worden. Meine Physiklehrerin hat sich bei der Schulleitung dafür eingesetzt, dass ich vorgeschlagen werde. Gerade in den neuen Bundesländern nutzen leider deutlich weniger Schulen ihr Vorschlagsrecht. Deshalb möchte ich auch zur Selbstbewerbung ermutigen – man kann nichts verlieren, aber sehr viel gewinnen.

Für ihren Einsatz zeichnet die Studienstiftung des deutschen Volkes Maria Matveev als Engagementpreisträgerin 2024 aus.

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Stand: Mai 2024