Programmheft 2014 - page 23

Akademie Leysin
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Arbeitsgruppe 8
Politik und Gegenwartslyrik
Leitung
Johannes Franzen
Graduiertenkolleg “Faktuales und fiktionales Erzählen”,
Universität Freiburg
LinoWirag
Autor und Kulturwissenschaftler, München
Nadja Wünsche
Journalistin, ZDF-Studio Singapur
Teilnehmer
Studierende der Kulturwissenschaften, sowie Studierende aller
Fachrichtungen
„Nun ist es seit je nicht unbedingt das vordringliche Ziel politischer Lyrik, ästhetisch
überaus ambitioniert zu sein. Die deutsche Literaturgeschichte kennt Gedichte, die heute
lebhaft zum Fremdschämen einladen“, schimpfte der Literaturkritiker Adam Sobozyn-
ski 2012 in der ZEIT. Warum so harsch? Der Zweck eines politischen Gedichtes, Men-
schen von einer programmatischen Aussage zu überzeugen, steht, so scheint es, mitunter
den formalen Ansprüchen an moderne Dichtkunst entgegen: sprachliche Experimente,
hermetischer Bilderreichtum, kulturelle Anspielungsvielfalt auf der einen, rhetorische
Potenzsteigerung auf der anderen Seite. Das politische Gedicht, für den Augenblick ge-
schrieben, als Medium der Kritik an konkreten Zuständen, gilt als Paradigma der zeit-
und zweckgebundenen Literatur – und verletzt damit zwei der wichtigsten Kriterien ge-
genwärtiger Literaturkritik: Die Zeitlosigkeit, die Texte für die Aufnahme in den Kanon
überhaupt erst disponiert, und die literarische Autonomie.
Von diesem Problem ausgehend, möchten wir gemeinsam mit den Studierenden der Fra-
ge nachspüren, ob in der Gegenwart überhaupt noch politische Lyrik existiert; und wenn
ja, was sie auszeichnet? Dabei wollen wir dem thematisch-methodischen Dreischritt Theo-
rie, Geschichte, Praxis folgen: Zunächst werden wir auf der Ebene gattungstheoretischer
Problemstellungen diskutieren, was politische Lyrik überhaupt ist (oder sein kann), dann
die starken Konjunkturen nachzeichnen, denen engagierte Literatur in ihrer Geschichte
unterworfen war, und schließlich den Schwerpunkt des Seminars auf die Interpretation
und Kritik zeitgenössischer politischer Lyrik legen. Dazu konnten wir einige lebende Lyri-
kerinnen gewinnen, uns (zum Teil unveröffentlichte) Arbeiten zur Verfügung zu stellen,
die wir gemeinsam untersuchen und diskutieren wollen.
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