Programmheft 2014 - page 110

Expedition Akademie
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Arbeitsgruppe 5
Die Hanse und das Meer. Meeresbedeutungen, Meeres-
wahrnehmungen und Meeresprojektionen
Leitung
Prof. Dr. Rudolf Holbach
Institut für Geschichte, Universität Oldenburg
Prof. Dr. Carsten Jahnke
Saxo-Institut, Universität Kopenhagen
Teilnehmer
Studierende der Geschichte, anderer kultur- und sozialwissen-
schaftlicher Fächer sowie der Wirtschaftswissenschaften
„Hansegeschichte ist meerbezogen und meerbedingt.“ Mit dieser prägnanten Formulie-
rung brachte Fritz Rörig, ein bedeutender, wenngleich mittlerweile umstrittener Hanse-
historiker in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und in der Nachkriegszeit, die vorherr-
schende Meinung auf den Punkt.
Die Arbeitsgruppe soll sich durch den apodiktischen Charakter der Aussage provozie-
ren lassen und sich eingehender damit auseinandersetzen, welche Bedeutung Ostsee und
Nordsee im mittelalterlichen Wirtschaftsgeschehen und speziell für die Mitglieder der
Hanse hatten und wie sie von Kaufleuten und Bewohnern mittelalterlicher Städte wahrge-
nommen wurden. Dabei soll es um das Meer als elementare Bedrohung und Risikofaktor
wie als beherrschbaren Raum, um seine ökonomische Nutzung als Ressource, als Trans-
port- und Verkehrsfläche und – unter Mitberücksichtigung wirtschaftswissenschaftlicher
Modelle – um die Auswirkungen auf Handel und Gewerbe gehen. Ebenso sollen seine Rol-
le bei der Entstehung und Austragung von politisch-militärischen wie sozialen Konflikten,
sein Stellenwert im Recht und die See als Hintergrund einer spezifischen Religiosität oder
als Bestandteil von bildlichen (Selbst-)Darstellungen Beachtung finden.
Bei der Frage nach dem Grad einer Meerbezogenheit der Hanse muss zugleich die immer
noch aktuelle Diskussion um derenWesen aufgegriffen werden. Angesichts der vielfältigen
Indienstnahme des Mittelalters für politische und gesellschaftliche Ziele erscheint es nicht
zuletzt sinnvoll, sich über eine kritische Auseinandersetzung mit der Forschungstradition
hinaus mit Projektionen zu Hanse und Meer in der Geschichts- und Erinnerungskultur
seit dem 19. Jahrhundert bis hin zur aktuellen medialen Präsenz dieses Themas zu befas-
sen. Insgesamt soll über multiperspektivische Zugänge versucht werden, der Vielschich-
tigkeit von Meeresbeziehungen in der Geschichte Rechnung zu tragen und die Hanse und
das Meer zwar durchaus als Realitäten, aber gleichzeitig als Konstrukte zu begreifen, derer
man sich in Vergangenheit wie Gegenwart immer wieder bedient hat und bedient und sie
jeweils aktuellen Bedürfnissen anpasst.
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