Pauline Fritz /Northern Lights Aid: „Schutz der Menschenwürde auch über nationale Grenzen hinweg verteidigen“

Pauline Fritz (21) studiert Politikwissenschaften in Paris und engagiert sich mit dem Verein Northern Lights Aid für Familien in den Flüchtlingslagern in Griechenland. Sie sind in der Corona-Krise besonders verletzlich und werden durch die Arbeit vor Ort sowie Spenden unterstützt und begleitet. Die Organisation Northern Lights Aid benötigt weitere finanzielle Unterstützung, um ihre Hilfe aufrecht zu erhalten.

Frau Fritz, was hat Sie zu Ihrem Engagement motiviert?

Ich engagiere mich schon seit 2017 in der Flüchtlingshilfe. In Calais und Kavala habe ich die verheerenden Zustände in den Flüchtlingslagern gesehen, und ich bin fest davon überzeugt, dass der Schutz der Menschenwürde auch über nationale Grenzen hinaus verteidigt werden muss. Gerade in Corona-Zeiten sind Geflüchtete besonders gefährdet. Sie leben auf extrem engem Raum und haben kaum Zugang zu Lebensmitteln oder medizinischer Behandlung.

Wie arbeitet Northern Lights Aid?

Die Organisation Northern Lights Aid (NLA), arbeitet in Griechenland, nahe der türkischen Grenze.  Entstanden als Erste-Hilfe-Aktion für junge Mütter auf Lesbos, unterstützt NLA heute die Bewohner*innen des Flüchtlingslagers in Kavala, Perigiali. Angesichts der Covid-19-Pandemie konzentriert sich NLA darauf, den Ausbruch des Virus im Flüchtlingslager zu verhindern und Familien mit Grundbedürfnissen und Medizin einzudecken. Zu „normalen“ Zeiten bieten wir durch verschiedene Projekte einen möglichst stabilen Raum für Gemeinschaft, Spaß und Kreativität vor allem für Familien.

Wie bringen Sie sich konkret ein?

Als ehemalige Helferin und Vorstandsmitglied bin ich gemeinsam mit dem Team damit beschäftigt, die Arbeit von NLA an die neue Lage anzupassen und neue Projekte zu finanzieren. Gerade durch die angespannte politische Lage, die seit Anfang des Jahres in Griechenland, besonders an der Grenze zur Türkei herrscht, ist unsere Arbeit eingeschränkt und besonders von den Entscheidungen der griechischen Regierung abhängig. Mein breitgefächertes Politikstudium hilft mir dabei, die Dynamik der europäischen Politik zu verstehen.

Was haben Sie bislang bewirkt?

NLA unterstützt die Familien auf dem Festland, wo sich die Zahl der Menschen im Camp 2019 verdreifacht hat und wir 1.000 Geflüchtete mit fast 100 Babys versorgt haben. Seit Ausbruch des Virus konnten wir Gesichtsmasken, Seife und Desinfektionsmittel im Camp verteilen. Familien konnten wir mit Hilfe von Gutscheinen mit den wichtigsten Nahrungsmitteln, Windeln und weiteren Hygieneprodukten versorgen. Außerdem haben wir besonders gefährdete Personen mit notwendiger Medizin und Lebensmitteln unterstützt.

Was war Ihre bislang prägendste Erfahrung?

Prägend war die Geschwindigkeit, mit der sich plötzlich alles veränderte und mit der sich die Bewohner der Flüchtlingslager an die neue Situation anpassen mussten. Extrem plötzlich mussten alle Freiwilligen abreisen. Nur ein Team Mitglied blieb zurück. Sie war dann gemeinsam mit den Freiwilligen aus dem Camp für die Bewältigung der Krise vor Ort zuständig. Einige Tage später hatten wir fast 400  Gesichtsmasken, selbstgenäht von zwei Camp-Bewohner*innen. Die Solidarität im Camp ist beeindruckend! Vieles wird aus dem nichts aus dem Boden gestampft, wie zum Beispiel unser Garten. Dort wo früher ein Dschungel aus Gestrüpp war, wächst jetzt Gemüse.

Wie sieht das Team aus und wie läuft die Zusammenarbeit?

Das Team besteht aus Helfer*innen aus dem Camp, aus der Stadt Kavala und aus europäischen Freiwilligen. Alle arbeiten ehrenamtlich und aus Solidarität, was eine wohlwollende und gemeinschaftliche Atmosphäre schafft. Das Team vor Ort wird von den acht festen Vorstandsmitgliedern unterstützt, die teils vor Ort, teils aus der Ferne die Organisation übernehmen. Zu Corona-Zeiten war das Team kurzzeitig auf nur sechs Personen geschrumpft. Mit den Lockerungen fangen wir nun an, das Team langsam wieder zu vergrößern.

Was sind nächste Ziele?

Unser Ziel ist es, erstmal alle Familien wieder mit dem Wichtigsten zu versorgen, etwa mit Hygienemitteln, Windeln und Kleidung. Darüber hinaus beschäftigt uns die Wiedereröffnung des Asylbüros. Familien mit laufenden Asylanträgen müssen dringend ihre Termine nachholen, um weiterhin eine Chance auf internationalen Schutz zu erhalten. Langfristig, möchten wir zu einer neuen „Normalität“ zurückkehren, in der die Gesundheit aller geschützt ist, und in der wir trotzdem das besondere Gemeinschaftsgefühl aufrechterhalten.

Was benötigen Sie, um ihr Projekt in Zeiten von Corona erfolgreich zu gestalten? Wie können interessierte Personen Ihr Projekt konkret unterstützen?

Für die Versorgung, kurzfristige Nothilfe und den Transport der Familien zum Asylbüro benötigen wir dringend finanzielle Unterstützung. Wir sind aber ebenso auf Öffentlichkeitsarbeit angewiesen und freuen uns über jegliche Expertise oder Partnerschaften im Bereich der Flüchtlingshilfe. Und sofern wir im Herbst unsere Arbeit wieder normal in Betrieb nehmen können, werden wir auch wieder Freiwillige suchen, die sich vor Ort engagieren.

Pauline Fritz (21) studiert Politikwissenschaften an der Sciences Po in Paris und ist Stipendiatin der Studienstiftung.

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