Felix Radtke/Blaupause: „Über mentale Gesundheit im Gesundheitswesen zu sprechen soll Selbstverständlichkeit werden“

Viele Beschäftigte im Gesundheitswesen entwickeln im Studium oder Beruf eine psychische Erkrankung. Sich Hilfe zu suchen oder jemandem anzuvertrauen fällt häufig schwer. Um das zu ändern, hat Stipendiat Felix Radtke (23) zusammen mit Alumna Katharina Eyme (27) den Verein Blaupause gegründet.

Herr Radtke, was hat Sie zu Ihrem Engagement motiviert?

Ein ursprünglicher Treiber für das Engagement war die erschreckende Datenlage zu Arbeitsbelastung, Depressionen und auch Suizidabsichten im Bereich der Gesundheitsberufe – Missstände, die durch die COVID-19-Pandemie an Sichtbarkeit gewinnen. Denn die mentale Gesundheit aller Gesundheitsprofessionen wird durch die Pandemie in noch stärkerem Maße gefordert und strapaziert als dies bereits im normalen Klinik- und Praxisbetrieb der Fall ist.

Wie funktioniert Blaupause?

Als Verein setzen wir uns für die mentale Gesundheit aller Gesundheitsprofessionen ein: Es geht um Öffentlichkeitsarbeit schon im Bereich der Ausbildung oder des Studiums, Austausch zwischen Interessierten und Betroffenen, eine Interessensvertretung für dieses Thema und um Tipps, wie jede*r Einzelne im Alltag mit schwierigen Situationen umgehen und diese bewältigen kann.

Wie bringen Sie sich konkret ein?

Als Mitgründer und Vorstandsvorsitzender übernehme ich vor allem strategische und lenkende Funktionen. Wir waren von Beginn an deutschlandweit vertreten und arbeiten deshalb ohnehin dezentral. Als Medizinstudent mit einem Schwerpunkt in experimenteller Grundlagenforschung habe ich ein starkes Problembewusstsein für die geschilderten Herausforderungen entwickelt, zu deren Lösung ich zusammen mit meinen Mitstreiter*innen von Blaupause beitragen möchte.

Was haben Sie bislang bewirkt?

Wir setzen uns seit zwei Jahren für die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen und Belastungen von Gesundheitsfachkräften ein. Analog und digital betreiben wir Aufklärung, geben den Gesundheitsprofessionen eine Stimme und stellen ihnen Werkzeuge der Gesundheitsförderung zur Verfügung. Ziel ist es, uns selbst überflüssig zu machen – indem das Sprechen über mentale Gesundheit im Gesundheitswesen eine Selbstverständlichkeit wird und entsprechende Angebote fest in den Ausbildungs-, Studien- und Berufsalltag integriert sind. Wir sind auf einem guten Weg – aber der Weg ist noch weit.

Was war Ihre bislang prägendste Erfahrung?

Eine prägende Erfahrung war sicherlich unsere Teilnahme beim Z2X18-Festival in Berlin 2018. Dort trafen sich auf Einladung von Zeit Online rund 1.000 junge Menschen, um Visionen für die Gesellschaft von morgen zu entwickeln. Bei einer Abstimmung unter den Teilnehmenden habe wir es unter die Top 3 geschafft. Eine weitere Ehre für uns war die Auszeichnung mit dem DGPPN-Antistigma-Preis 2018 als dritter Preisträger. Letztlich sind es aber die vielen Unterstützer*innen vor Ort, die den vielen Projekten des Vereins und dem dahinterstehenden Ideal Leben einhauchen.

Wie sieht das Team aus und wie läuft die Zusammenarbeit?

Als Verein sind wir gegliedert in einen Vorstand, Arbeitsgruppen und in Lokalgruppen. Der Vorstand und die Arbeitsgruppen haben sich – auch schon vor der Pandemie – regelmäßig digital ausgetauscht, um unsere Strategie anzupassen und Aufgaben zu verteilen. Die Lokalgruppen arbeiten unterschiedlich und sind in ihrem Spielraum pandemiebedingt derzeit leider besonders eingeschränkt.

Was sind nächste Ziele?

Derzeit verteilen wir Care-Pakete an Krankenhäuser, die niederschwellig aufbereitete Infomaterialien enthalten – ich freue mich, wenn wir damit Einrichtungen an besonders vielen Orten erreichen können. Ein großes Projekt auf der Agenda ist PSYrcle, ein von uns konzipiertes Selbsterfahrungstandem, bei dem es um das Schaffen von awareness und Selbstwirksamkeit zu Beginn des Medizinstudiums im Rahmen eines Wahlfachs geht.

Was benötigen Sie, um ihr Projekt in Zeiten von Corona erfolgreich zu gestalten? Wie können interessierte Personen Ihr Projekt konkret unterstützen?

Wir freuen uns über Beschäftigte aus Gesundheitsberufler*innen, die sich aktiv bei uns einbringen möchten. Von kurz- bis langfristigem Engagement ist alles möglich. Das geht von redaktionellen Beiträgen wie einem Interview auf unserer Website über die Mitarbeit in einer Arbeitsgruppe bis hin zur Gründung einer Lokalgruppe! Alternativ dazu können Sie unsere Arbeit natürlich auch mit einer Spende oder einer Mitgliedschaft in unserem Verein unterstützen.

Felix Radtke (23) studiert Medizin an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und ist Stipendiat der Studienstiftung, Katharina Eyme (27) hat ebenfalls Medizin in Heidelberg studiert und ist Alumna.

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