Stipendiat:innen / 

Porträts

Philipp Schäfer

Sozialwissenschaften

Universität Konstanz

Wie im Jahre 2015 die Aufnahme Geflüchteter in Städten und Gemeinden organisiert wurde, die mit der Unterbringung und Versorgung Schutzsuchender beauftragt wurden, untersuchte der Soziologe Philipp Schäfer. Für seine Dissertation sprach die Jury Lieselotte Pongratz-Promotionspreises 2022 eine besondere Anerkennung aus.

Die Forschungsfrage

Wie wurde 2015 die Aufnahme Geflüchteter in Städten und Gemeinden organisiert, die mit der Unterbringung und Versorgung Schutzsuchender beauftragt wurden? Welche Rolle spielt das Provisorische für den lokalen Umgang mit Flucht und Geflüchteten? Ich zeige in meiner Dissertation, dass der provisorische Umgang mit Geflüchteten in Leipzig – das Notdürftige, Temporäre und Konflikthafte – kein Ausdruck einer plötzlichen Krise war, sondern das Ergebnis langjähriger Auseinandersetzungen, in deren Zuge Geflüchtete „auf Abstand“ gebracht wurden. Dass provisorische Behausungen wie Schulen, Turn- und Messehallen zum etablierten Repertoire lokaler Asylpolitik gehören, zeigt sich auch 2022 wieder vor dem Hintergrund der Ankunft und Unterbringung zahlreicher Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine.

„Die Dissertation behandelt das hochgradig relevante und aktuelle Thema von Migration und des Umgangs mit der Aufnahme von Geflüchteten. Die Arbeit erfüllt höchste methodische Ansprüche.“

aus der Begründung der Jury

Die Methode

Forschungsmethoden sind für mich wie eine Art Werkzeugkasten, der es mir erlaubt, eine Vielfalt an empirischen Eindrücken zu gewinnen. Durch teilnehmende Beobachtung der dynamischen Ereignisse 2015 sowie durch die rekonstruktive Analyse der Diskussionen zu dezentraler Unterbringung zuvor trug ich zahlreiches Material zusammen: Angefangen bei qualitativen, leitfadengestützten Interviews mit lokalen Funktionsträger:innen, Aktivist:innen und Geflüchteten in Leipzig bis zu politischen Dokumenten, offenen Briefen und Medienberichten.

Die Ergebnisse

Meine Forschung hilft dabei zu verstehen, wie Geflüchtete räumlich, zeitlich und moralisch distanziert und in einem provisorischen Zustand des Noch-nicht-ganz-Angekommenseins festgehalten werden – allen voran durch ihre verpflichtende Unterbringung in Sammelunterkünften. Raum, Zeit und Moral identifizierte ich dabei als zentrale Kategorien, über die das Provisorische hergestellt und das Zusammenleben in der Migrationsgesellschaft ausgehandelt werden. Damit ist meine Forschung an soziologische Fachdebatten anschlussfähig: Das Streiten über Fragen der Migration wirkt sowohl vergesellschaftend als auch trennend, indem es hierarchisierte Vorstellungen von Fremdheit und Zugehörigkeit tradiert.

Zur Person

Der 35-jährige Soziologe Philipp Schäfer arbeitet als PostDoc am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück. Er hat Kulturwissenschaften in Lüneburg, Leipzig und Lyon studiert und war von 2015 bis 2019 Promotionsstipendiat der Studienstiftung an der Universität Konstanz. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen die lokale „Regierung“ von Migration und die Produktion von (polizeilichem) Wissen über Migration.

Kontakt

Philipp Schäfer, philipp.schaefer@uni-osnabrueck.de

Weitere Informationen

Stand: Mai 2022