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Porträts

Julia Bühner

Geschichte

Universität Münster

Mit dem Johannes Zilkens-Promotionspreis zeichnet die Studienstiftung 2024 Julia Bühner für ihre geschichtswissenschaftliche Arbeit zur interdisziplinären Betrachtung der Kanaren zum Zeitpunkt ihrer Eroberung aus. Ihre an der Universität Münster eingereichte Arbeit zeigt die indigene Bevölkerung als handelnde Akteure auf und verweist auf den pluralen Ursprung des Völkerrechts.

Die Forschungsfrage

Das Völkerrecht galt lange Zeit als ein von Europäern entwickeltes Recht, das durch Expansion globale Verbreitung fand. Doch waren die zahlreichen indigenen Völker, die die europäischen Kolonialmächte unterwarfen, nur Statisten in diesem Prozess? Kannten sie nicht auch Vergleichbares zu dem, was wir heute als Internationales Recht bezeichnen? Mit der Eroberung der Kanarischen Inseln im 15. Jahrhundert nimmt meine Dissertation ein weitgehend ungeschriebenes Kapitel der Völkerrechtsgeschichte in den Blick und rückt dabei erstmals die Rolle der indigenen Kanarier bei der Entstehung des Völkerrechts in den Fokus der Forschung.

„Die Arbeit von Julia Bühner strahlt in ganz besonderer Weise über die Grenzen des eigenen Fachs hinaus. Ihre Erträge sind anregend und anknüpfungsfähig für mehrere Disziplinen. Zudem liegt ihr eine hervorragende Quellenarbeit mit kritischer Neuedition zahlreicher weitgehend unbekannter Quellen zugrunde.“

Aus der Begründung der Jury

Die Methode

Über klassische Rechtsquellen hinaus arbeitete ich mit Chroniken, die von der Eroberung erzählen. Die Kanarier hinterließen selbst keine zeitgenössischen Berichte, weshalb ich ihr Handeln als Übersetzer, Vermittler und Gesandte aus europäischer Überlieferung herausgearbeitet und zudem zahlreiche weitgehend unbekannte Quellen kritisch neueditiert habe. Dabei war es mir wichtig, der indigenen Bevölkerung eine eigene Stimme zu geben, die in der Forschung bislang mehrheitlich übergangen worden ist.

Die Ergebnisse

Die Eroberung der Kanaren führte zu einer Begegnung von Rechtsgewohnheiten, bei der die Kanarier den europäischen Verfahrensweisen unterworfen wurden, diese jedoch zur Durchsetzung ihrer Interessen zu nutzen lernten. Die indigene Rechtspraxis beeinflusste Debatten und Reflexionen und fand hierdurch auch Niederschlag in Gesetzen und Erlassen – trotz der hegemonialen Stellung des Rechts der Kolonisatoren. Damit zeigt meine Dissertation, dass die Entwicklung des modernen Völkerrechts keineswegs als eine rein europäische Errungenschaft gelten kann, sondern pluralen Ursprungs ist.

Zur Person

Julia Bühner schloss an ihren Zwei-Fach-Bachelor in Germanistik und Geschichte ein Masterstudium mit einem Schwerpunkt in mittelalterlicher Geschichte an der Universität Münster an. Sowohl während ihres Studiums als auch während ihrer Promotion, ebenfalls in Münster, erhielt sie ein Stipendium der Studienstiftung. Von 2018 bis 2023 arbeitete Bühner als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Hoch- und Spätmittelalter / Westeuropäische Geschichte der Universität Münster. Seit Januar 2024 ist die 32-Jährige Postdoc in mittelalterlicher Geschichte an der Universität Frankfurt am Main. Für ihre Arbeit erhielt sie 2023 unter anderem den Dissertationspreis der Arbeitsgemeinschaft Internationale Geschichte im Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands.

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