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Porträts

Dominic Ponattu

Volkswirtschaftslehre und Politik

Universität Mannheim

Studienstiftung zeichnet Engagement für Indien aus: Dominic Ponattu erhält den weitergeben – Engagementpreis der Studienstiftung 2016


Als Kind war Indien für ihn das Land seiner Verwandten: Dominic Ponattu besuchte regelmäßig Großeltern, Tanten und Onkel. Heute, mit 28 Jahren, hat er einen anderen Blick auf die Republik: „Seitdem wir unseren Verein ,Bildungschancen für Frauen in Indien' ins Leben gerufen haben, fühle ich mich nicht mehr als Gast, sondern als Partner mit einer konkreten Aufgabe“, erklärt der Mitbegründer und Geschäftsführer des Vereins. Obwohl Indien zu den größten Demokratien der Welt zählt, bleibt Frauen das Recht auf Gleichberechtigung und andere Bürgerrechte verwehrt. Sie werden noch immer diskriminiert und sozial benachteiligt. Auch der Zugang zu Bildung bleibt ihnen oft untersagt. „Die strukturelle Situation der Frau in Indien ist nach wie vor schlecht“, bringt es der Promotionsstipendiat der Studienstiftung auf den Punkt. Ein Zustand, den der junge Mann, der im westfälischen Hagen aufgewachsen ist, nicht einfach hinnimmt. Mit einem pensionierten Unternehmer aus seiner Heimatstadt entwickelte Ponattu die Projektidee und gründete Ende 2014 den Verein „Bildungschancen für Frauen in Indien“. „Seit 2015 fördern wir nun 35 angehende Krankenpflegerinnen aus sozial schwachen Familien“, sagt Ponattu. Läuft alles nach Plan, schließen die jungen Frauen an zwei Hochschulen in den südindischen Bundesstaaten Kerala und Tamil Nadu 2018 das Studium mit einem Bachelor of Nursing ab.

Von der Idee bis zur Umsetzung war es ein weiter Weg. Anfangs wusste Ponattu nur, dass er sich mit seinem Projekt für mehr Nachhaltigkeit und eine bessere Bildung einsetzen wollte. Er sprach mit vielen Menschen in Indien und mit seiner Mutter, die in Indien geboren wurde, seit über 40 Jahren in Deutschland lebt und als Krankenschwester arbeitet. „Schnell kristallisierte sich heraus, dass eine Förderung im Bereich Krankenpflege positive Effekte sowohl auf die Frauen als auch auf die Umgebung hat“, sagt Ponattu. So besteht in Indien in der medizinischen Versorgung großer Aufholbedarf: Im statistischen Durchschnitt versorgt nicht mal eine medizinische Fachkraft rund 1000 Einwohner. Und während insbesondere Menschen aus der gutsituierten Oberschicht die finanziellen Möglichkeiten haben, Medizin oder Ingenieurwissenschaften zu studieren, entscheiden sich für einen Bachelor of Nursing-Studiengang jene, die zwar ein Abitur in der Tasche haben, aber eher mittellos sind. So sind die meisten der 35 Stipendiatinnen Voll- oder Halbwaisen oder stammen aus Haushalten mit erkrankten Eltern. Ein Studium hätten sie sich nicht leisten können, oder sie hätten sich bis an die Existenzgrenze verschulden müssen.

Künftig will Ponattu die Arbeit seines Vereins in zwei Richtungen weiterentwickeln: Zum einen sollen weitere Inderinnen aufgenommen werden, zum anderen werden die 35 Stipendiatinnen noch intensiver gefördert – über die reinen Inhalte des Studiums hinaus. „Wir möchten beispielsweise Seminare anbieten, in denen wir die Frauen über ihre Rechte informieren oder über die Vereinbarkeit von Job und Familie aufklären, die in Indien nur in reichen Familien existiert“, erklärt Ponattu. Als Multiplikatoren und Vorbilder geben die Stipendiatinnen ihr Wissen weiter – in die Familien, den Freundeskreis und in ihr berufliches Umfeld. „Unsere Stipendiatinnen werden die ersten Frauen in ihren Familien sein, die ein Studium beenden und ein eigenes, geregeltes Einkommen beziehen“, so Ponattu, „wir wollen ihnen den Übergang in den Beruf erleichtern.“ Es gibt aber auch einen praktischen Grund, die Frauen in der Krankenpflege auszubilden: „Wir hoffen, dass unsere Frauen als Multiplikatoren einen positiven Effekt auf die Gesundheitsversorgung in den entlegenen Regionen des Landes haben“, sagt Ponattu. Für Krankheiten wie beispielsweise Tuberkulose ein wichtiger Schritt, denn Indien ist mit fast einem Fünftel aller weltweiten Fälle das Land mit der höchsten Tuberkulose-Rate. Vor allem in entlegenen Gebieten ist es schwierig, die Menschen zu erreichen. Viele Erkrankte wissen nicht einmal, dass sie ihre Antibiotika vollständig einnehmen müssen, um zu genesen und die Entwicklung multiresistenter Tuberkulose-Keime zu verhindern.

Für Ponattu steht außer Frage, dass in der Ausbildung benachteiligter Frauen ein großes Potenzial für den sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt des Landes liegt, der das Leben in den ärmsten Regionen der Welt verbessern kann – und zwar für Frauen und Männer gleichermaßen. Sich für benachteiligte Menschen einzusetzen, ist für Dominic Ponattu eine Selbstverständlichkeit: „Meine Eltern haben es mir vorgelebt.“ Sein erstes großes Projekt startete er bereits in der Schulzeit. Als am 26. Dezember 2004 ein Tsunami das Leben von 230.000 Menschen auslöschte und etwa 1,7 Millionen obdachlos machte, war auch Alleppey betroffen, die Heimatregion von Ponattus Eltern. „Es gab an meiner Schule in Hagen ein großes Bedürfnis zu helfen“, erinnert sich Ponattu, der zu jener Zeit Schülersprecher war. Die Mitschüler organisierten Patenschaften für 15 Schüler und unterstützten sie bis zum Abitur. Ponattu besuchte das Projekt auch vor Ort: „Eine wegweisende Erfahrung, die dazu beigetragen, dass ich später VWL und Politik studiert habe.“ Der Engagementpreis der Studienstiftung ist für ihn eine große Anerkennung für die indischen Stipendiatinnen und eine Bestätigung dafür, dass das Projekt auf dem richtigen Weg ist. „Eine Auszeichnung insbesondere für ein indisches Projekt verdeutlicht aber auch, dass Solidarität international wirkt“, so Ponattu. Ein weiterer willkommener Nebeneffekt: Die Mitgliederzahl des Vereins steigt dank der medialen Sichtbarkeit des Preises. „Immer mehr junge Menschen wollen helfen – auch aus der Studienstiftung: Es gibt so viele Studienstiftler, die einen Teil ihres Studiums in Indien verbracht haben, Menschen, die bereits Erfahrungen mit dem Land haben. Ihr Know-how ist ein riesiger Gewinn für den Verein.“

Mit dem Preis „weitergeben!“ würdigt die Studienstiftung des deutschen Volkes öffentlich das Engagement ihrer Geförderten in von ihnen initiierten oder maßgeblich getragenen gemeinnützigen Projekten. 25 Initiativen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen lagen der Auswahljury in diesem Jahr zur Begutachtung vor. Der mit 5.000 Euro dotierte Preis wird im Rahmen einer Festveranstaltung am 6. Juni 2016 in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften verliehen. Dominic Ponattu ist seit 2008 Stipendiat der Studienstiftung. Nach einem Bachelor der Volkswirtschaftslehre und Politik sowie einem Master der Politischen Ökonomik widmet er sich in seiner Dissertation den Wechselwirkungen zwischen politischen Eliten und der wirtschaftlichen Entwicklung Indiens.

Stand: Juni 2016