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Porträts

Timo Meynhardt über Talentförderung in den ostdeutschen Bundesländern

Psychologie; forscht heute als Professor für Wirtschaftspsychologie und Führung

HHL Leipzig

Prof. Dr. Timo Meynhardt forscht und lehrt als Professor für Wirtschaftspsychologie und Führung an der HHL Leipzig Graduate School of Management in Leipzig. Er ist Alumnus und Vertrauensdozent der Studienstiftung.

Einer der Forschungsschwerpunkte von Timo Meynhardt ist der Gemeinwohlbeitrag von Unternehmen, öffentlichen Verwaltungen und NGOs. Während seines Studiums unter anderem auch in Oxford und Peking förderte ihn die Studienstiftung des deutschen Volkes von 1995 bis 1999; seit 2017 wirkt der 50-Jährige als Vertrauensdozent der Studienstiftung.

Wir haben bei Professor Timo Meynhardt von der HHL Leipzig Graduate Schol of Management nachgefragt, wie die Talentförderung gestärkt werden könnte.

Interview

Herr Professor Meynhardt, Sie lehren und forschen an der Handelshochschule in Leipzig und bilden Top-Managerinnen und Manager aus. Sie sind 1972 im thüringischen Rudolstadt geboren und aufgewachsen, haben dort ihr Abitur gemacht. Unter 18 Professorinnen und Professoren an Ihrer Hochschule waren Sie lange Zeit der Einzige, der in einem ostdeutschen Bundesland geboren wurde. Wie erklären Sie sich dieses Ungleichgewicht?

Eine aktuelle Hypothese ist: Nach dem Prinzip der Selbstähnlichkeit wird eher aus dem eigenen Milieu rekrutiert. Wenn diese soziologische Erklärung stimmt, müsste die Asymmetrie mittelfristig kleiner werden. Denn es tut sich etwas. In Leipzig sind es vor allem ostdeutsche Frauen, die an der Spitze stehen. Aber diese müssen eben auch ihre Netzwerke entsprechend nutzen. Da gibt es Nachholbedarf.

Wie haben Sie die deutsche Einheit erlebt?

Im Rückblick war es für mich persönlich ein idealer Zeitpunkt. Ich war gerade 17 geworden als die Mauer fiel. Es war rundum spürbar, dass etwas völlig Neues beginnt. Die Abiturzeit in Rudolstadt war sehr frei, weil alles in Fluss kam und plötzlich so vieles möglich schien. Diese allgemeine Aufbruchstimmung hielt natürlich nicht an. Für mich persönlich bleibt das Grundgefühl zurück, dass nichts von Dauer ist.

Sie wurden in den 1990er Jahren mit einem Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes gefördert, haben Psychologie in Jena, Oxford und Peking studiert. Wie verlief Ihr Weg in die Studienstiftung, wie wurden Sie damals auf das Stipendium aufmerksam?

Auf die Studienstiftung wurde ich über einen Dozenten aufmerksam, der mich dann auch empfohlen hat. Allerdings hatte ich zunächst jegliche Hoffnung aufgegeben, da ein Auswahlgespräch recht kontrovers verlief. Aber genau diese Offenheit für Argumente war es dann, auf die ich bei allen Veranstaltungen der Studienstiftung getroffen bin. Da wusste ich, da bin ich richtig.

Was fasziniert Sie an Ihrer Arbeit als Vertrauensdozent?

Mich fasziniert, wie mutig junge Menschen sich an die großen Fragen heranwagen. Das gibt mir auch ganz persönlich immer wieder Zuversicht. Als Vertrauensdozent komme ich mit vielen Stipendiat:innen in Kontakt, oft auch nur flüchtig. Aber mit manchen entwickelt sich dann ein intensiverer Austausch, der fast einem Coaching gleichkommt und ich kann auch etwas von der Idee vermitteln, warum man sich für das Gemeinwohl einsetzen sollte nach dem Motto: Wer kann, der muss.

Als Professor und Vertrauensdozent: Wie setzen Sie sich für Bildungschancen ein? Wie könnte die Talentförderung in den ostdeutschen Bundesländern gestärkt werden?

Im Grunde ist diese meine Kernaufgabe im Hörsaal: Alle und jeden zu ermutigen, sich etwas zuzutrauen, unabhängig von der Herkunft. Mit Blick auf ostdeutsche Talente kommt etwas hinzu: Sie brauchen Zugänge zu Netzwerken, die sie im Gegensatz zu ihren Peers in den alten Bundesländern gar nicht haben können.

Zugangswege zum Stipendium – welche Rolle spielen dabei Personen wie Hochschullehrende, Lehrkräfte, Eltern, um das Zutrauen junger Erwachsener in eigene Fähigkeiten zu stärken?

Ohne Multiplikator:innen geht es nicht. Auf allen Ebenen müssen wir die Studienstiftung noch bekannter machen. Das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten ist da, es muss nur mit guten Angeboten „gelenkt“ werden.

In Ihrer Forschung beschäftigen Sie sich mit Fragen des Gemeinwohls – was interessiert Sie hier besonders?

Ich forsche zum Gemeinwohl, weil mich gesellschaftliche Fragen interessieren. Wie kommen wir wieder „vom Ich zum Wir“? Welche Rolle können Institutionen dabei spielen, wo beginnt die Selbstverantwortung? Gerade eine Demokratie braucht den Bürgersinn und ein Bewusstsein für gegenseitige Abhängigkeiten. Es gibt dabei so viele spannende Forschungsfragen, die mich umtreiben. Dazu gehört die Frage, welche Mechanismen am Werk sind, wenn Start-ups ihr Geschäftsmodell gemeinwohlorientiert ausrichten. Und dann natürlich: Wie lässt sich in der Führungsausbildung systemisches Denken trainieren, bei dem die Gemeinwohlorientierung zum Entscheidungskriterium wird?

Stand: Oktober 2022