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Porträts

Stefan Hör

Brauwesen und Getränketechnologie

TU München – Campus Weihenstephan

Eigentlich wollte Stefan Hör (Mitte) nur einmal versuchen, wie man selbst ein Bier herstellt. Heute studiert er Brauwesen und hat zusammen mit Kommilitonen bereits ein eigenes Bier entwickelt, das er erfolgreich vertreibt.

Nach seinem Abitur legt Stefan Hör ein Orientierungsjahr ein, um sich klar zu werden, was ihm gefällt und wo er sich sieht. In dieser Zeit reist er viel herum – er trampt nach Griechenland, fliegt für einige Zeit nach Schottland und verbringt ein halbes Jahr work and travel in Neuseeland. Dabei hat Stefan Hör viel Zeit für sich, er hält inne und schreibt seine persönliche bucket list: Dinge, die er im Leben gerne noch machen möchte. Ganz oben auf der Liste: einmal selber Bier brauen. „Zurück in Deutschland habe ich mich gleich daran gesetzt, in der heimischen Küche experimentiert und mir eine erste kleine Brauanlage zusammengebastelt“, sagt er.

Stefan Hör liest sich ein, um die Zusammenhänge zu verstehen, und merkt schnell, dass das Brauen sehr komplex ist. „Ein gutes Bier zu brauen ist echte Kunst. Man muss die Biochemie ebenso wie die Physik und die Mikrobiologie verstehen. Dazu kommen noch eine Menge Verfahrenstechnik, Anlagenbau und betriebswirtschaftliches Verständnis.“

Am Ende des Versuchs steht zwar kein ausgereiftes Bier, aber dafür die Erkenntnis, dass diese Arbeit genau das Richtige für ihn ist. Vier Monate später schreibt sich Stefan Hör für das Studium Brauwesen und Getränketechnologie an der TU München ein.

Kindheit auf dem Bauernhof

Ein praktischer, naturverbundener Mensch ist Stefan Hör schon als Kind. Seine Eltern sind beide Landwirte, er wächst auf einem Bauernhof im Südwesten Augsburgs auf. Dort genießt er viele Freiheiten, verbringt die meiste Zeit in der Natur. „Draußen boten sich für uns Kinder viele ideale Plätze zum Spielen und Entdecken. Ich denke, dadurch wurde sowohl  eine gewisse Naturverbundenheit in mir geweckt, als auch das Interesse, diese Natur zu verstehen, ihre grundlegenden Zusammenhänge: Biologie, Physik und auch Chemie“, sagt Stefan Hör. Außerdem verbringt er viel Zeit in der Werkstatt seines Vaters, um zu tüfteln und zu basteln. „Dinge zu schaffen und zu entwickeln, und nicht nur darüber nachzudenken, ist mir enorm wichtig.“

Die Entscheidung für das Studium wird aber auch durch die Gespräche mit seinem Onkel, einem „geselligen Bierliebhaber“, wie Hör sagt, beeinflusst. Bei ihm lebt Stefan Hör während seines Orientierungsjahres. Sie sitzen viele Abende zusammen und philosophieren über das Leben und die schwierige Aufgabe, seinen eigenen Weg zu finden. Bei einem Glas Bier und angeregtem Gespräch beginnt Hör näher über die Funktion von Bier als „Katalysator“ von Geselligkeit nachzudenken, wie manches gelöster, leichter scheint. Bier bringt die Leute zusammen! Für Stefan Hör ein weiterer Grund, die Auseinandersetzung mit dem Genussmittel im Studium vertiefen zu wollen.

Champagner unter den Bieren

Das Studium entpuppt sich als richtige Entscheidung. Es verbindet die breit angelegte Ausbildung in naturwissenschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen Fächern mit einer fachspezifischen Vertiefung in der Brautechnologie. Neben seinem Studium baut er sich seine eigene Garagenbrauerei, in der er an unzähligen verschiedenen Biersorten experimentiert. Schließlich schließt er sich mit drei Kommilitonen zusammen. Gemeinsam entwickeln sie ein sehr besonderes Bier: das CEREVSIUM 1516. „Wir haben dafür ein neues Brauverfahren entwickelt und ein Bier hergestellt, das durch seine Spritzigkeit und Säure sehr an Champagner erinnert. Es ist zudem sehr fruchtig, und hat interessante Noten von Traube, Honig und Holunder“, sagt Stefan Hör.

Es ist aber nicht nur das Brauverfahren, sondern auch eine spezielle Champagnerhefe, die dem Bier eine besondere Note verleiht. Hinzu kommt eine Lagerzeit von mindestens neun Monaten, in der das Bier in der Flasche reifen kann. Dabei wird im letzten Monat jede Flasche einzeln von Hand täglich gerüttelt und immer weiter geneigt, bis sie irgendwann kopfüber steht. Das ist die sogenannte Rüttelmethode, das traditionelle Herstellungsverfahren für Champagner. So wird das Bier auf ganz natürliche Weise ohne Filtration von der Hefe befreit.

Das Ergebnis ist ein ganz besonderes Bier, das bereits ausgezeichnet wurde: Das CEREVSIUM 1516 hat 2015 den Preis des Innovationswettbewerbs für Getränke und Lebensmittel (IGL) des Wissenschaftszentrums Weihenstephan der TU München in der Kategorie Bier gewonnen. „Es ist sicherlich kein Massenprodukt, findet aber guten Anklang in ausgewählten Läden. So produzieren wir nun nebenher im kleinen Rahmen für ein paar Spezialkunden aus der Gastronomie“, sagt Stefan Hör.

Stefan Hör beim Brauen – und Testen – eines neuen Bieres in der heimischen Garage © Stefan HörStefan Hör beim Brauen – und Testen – eines neuen Bieres in der heimischen Garage © Stefan Hör

Musik als wichtiger Begleiter

Neben dem Studium widmet sich Stefan Hör leidenschaftlich der Musik und dem klassischen Gesang. So singt er seit Studienbeginn im Chor am Campus Weihenstephan. Über eine Freundin lernt er dann die klassischen deutschen Kunstlieder kennen, in die er sich zunehmend vertieft. Schließlich ist er so angetan, dass er selbst Gesangsunterricht nimmt. „Was am Anfang so ab und zu geschah, wurde immer mehr, ich begann bald regelmäßig zu üben und in mehreren Chören zu singen“, sagt Stefan Hör.

Seit  mehreren Jahren ist er nun Mitglied im Bayerischen Landesjugendchor und in der Bayerischen Singakademie.  Die beiden Institutionen stehen unter dem Dach der Bayerischen Chorakademie, die junge Leute an das professionelle Singen im Chor heranführt und hochbegabten Jugendlichen den Weg vom Singen als Hobby zum Singen als Beruf ebnen will. Stefan Hör gibt inzwischen immer wieder auch solistische Konzerte im kleinen Rahmen. „Ich habe den Traum, später nebenher singen und damit vielleicht sogar auch einen Teil meines Lebensunterhaltes bestreiten zu können. Mal sehen, wie gut ich noch werden kann. Ansonsten bleibt es einfach ein Hobby, das mir viel Kraft und Ausgleich gibt.“

Die Musik verbindet Stefan Hör auch mit anderen Stipendiatinnen und Stipendiaten der Studienstiftung. 2016 hat er an der Musikakademie Brixen teilgenommen. Die Musikakademie findet alljährlich im Sommer in Südtirol mit über 200 Sängern, Instrumentalisten, Komponisten und Musikwissenschaftlern statt. Sie bietet ein künstlerisch-praktisches Programm für Chor, Orchester, Schlagwerk und Komposition sowie eine  musikwissenschaftliche Arbeitsgruppe. Den Höhepunkt bilden die Abschlusskonzerte im Dom zu Brixen und im Herkulessaal in München. „Am liebsten möchte ich noch einmal an der Musikakademie teilnehmen. Das sind zehn Tage Musikmachen umgeben von so vielen musikbegeisterten Menschen. Das ist eine wunderbare Erfahrung und für mich als Sänger unglaublich bereichernd!“, sagt Stefan Hör.

Stefan Hör in der Rolle des Augustus in „Korbinian – Das Musical“ auf dem 2. Freisinger Musicalsommer 2016 © Reinhard SavarinoStefan Hör in der Rolle des Augustus in „Korbinian – Das Musical“ auf dem 2. Freisinger Musicalsommer 2016 © Reinhard Savarino

Die Freiheit, sich zu entfalten

Neben der Musikakademie interessiert sich Stefan Hör auch für andere Angebote der ideellen Förderung der Studienstiftung. 2013 hat er an einem Sprachkurs in Southhampton/England teilgenommen. Eigentlich würde er gerne noch mehr mitnehmen, auch an kleineren Veranstaltungen teilnehmen, aber das ist aufgrund der hohen Arbeitsbelastung wie auch der räumlichen Entfernung nach München häufig nicht möglich. Wenn es aber klappt, ist er jedes Mal begeistert: „Es ist immer wunderbar, viele engagierte Stipendiatinnen und Stipendiaten aus den unterschiedlichsten Fachbereichen zu treffen. Man lernt dabei unglaublich viel und kann richtig viel Spaß haben! In jeden Fall bin ich immer wieder fasziniert von den Fähigkeiten mancher Leute, auf die ich bei solchen Veranstaltungen treffe.“

An der Förderung durch die Studienstiftung schätzt Hör neben den Bildungsangeboten natürlich auch das monatliche Stipendium: „Diese Freiheit durch die finanzielle Unabhängigkeit ist immens und ich bin sehr dankbar dafür!“, sagt er. Die finanzielle Unterstützung erlaubt ihm, sich neben dem Studium und der Musik auch noch Zeit zu nehmen, sich zu engagieren. Aktuell begleitet er einen syrischen Flüchtling aus Aleppo im Rahmen des „Buddies for Refugees“-Programms der TU München. Er hilft ihm dabei, sich als Gasthörer an der Hochschule zurechtzufinden.

„Die Begegnungen mit ihm sind immer sehr berührend. Ich denke, da steht einfach der Gedanke des Miteinanders im Raum, den jede Gesellschaft braucht und den ich vor allem im Internat immer wieder gelernt habe. Wenn man sich gegenseitig hilft, hat das Leben einfach eine andere Qualität: Sowohl für den Helfenden als auch den, dem geholfen wird. Und ich finde, dass man nicht erwarten kann, dass jemand einem hilft, wenn man selbst nichts für andere tut.“

Stand: April 2017