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Porträts

Alexander Dieter

Postdoktorand

Zentrum für Molekulare Neurobiologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Der Friedrich Hirzebruch-Promotionspreis 2021 geht an den Neurowissenschaftler Alexander Dieter für seine Dissertation zum Thema optogenetische Aktivierung des Hörnervs.

Der Aufbrecher

Der Auslandsaufenthalt in Finnland hat sein Leben nachhaltig verändert: „Bis dahin war ich gefangen in Mustern und Alltagsroutinen – deshalb auch das Bachelorstudium an der Universität Frankfurt, weil ich so in der Nähe meiner Heimatstadt Mühlheim bleiben konnte“, sagt Alexander Dieter.  Damals kehrte der Bachelorstudent voller neuer Eindrücke zurück aus Helsinki: „Gefühlt war jede Minute meines sechsmonatigen Auslandsaufenthaltes gefüllt mit einem neuen Erlebnis“, erinnert  sich der 31-Jährige.  

Ortswechsel bringen Flexibilität

Schnell stellte der junge Mann aber auch fest, dass trotz langer Abwesenheit daheim vieles unverändert geblieben war, er sich auf diesen Rückhalt verlassen konnte: Da wurde mir bewusst, dass ich möglichst schnell wieder aus meinen Routinen ausbrechen und eine ähnliche Erfahrung in einem anderen Land machen möchte“, erzählt Dieter. Und so folgt nach dem Bachelorabschluss ein dreimonatiges Praktikum in Sydney in einem neurowissenschaftlichen Labor. Seine Masterarbeit schrieb er am Weizmann-Institut für Wissenschaften in Rehovot, Israel. Die Auslandserfahrungen hätten ihn offener gemacht: „Durch die Ortswechsel bin ich flexibler im Kopf geworden“, resümiert der Neurowissenschaftler, der seit 2015 von der Studienstiftung gefördert wird.

Dass Alexander Dieter überhaupt Stipendiat der Studienstiftung geworden ist, hat er seinem Doktorvater, Professor Tobias Moser, am Institut für Auditorische Neurowissenschaften der Universitätsmedizin Göttingen zu verdanken: „Ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, mich zu bewerben, geschweige denn, dass ich mich für förderungswürdig hielt“, räumt er unumwunden ein. Eine parteinahe Stiftung wäre für ihn ohnehin nicht infrage gekommen, das breite Programm der Studienstiftung hingegen habe ihn auf Anhieb sehr angesprochen: „Vielfältig und divers.“ Und auch die von der Studienstiftung initiierten Mentor:innenabende in Göttingen seien für ihn eine Bereicherung gewesen: „Ich habe Menschen aus sehr verschiedenen Fachrichtungen kennen gelernt, die ich sonst nie getroffen hätte.“

Drang nach etwas Neuem

Dieser Drang nach etwas Neuem, nach einer offenen Haltung und einem interdisziplinären Austausch begleitet Alexander Dieter im Grunde – trotz Muster und Routinen – schon seit seiner Schulzeit: „Ich war nie ein Musterschüler oder Überflieger“, erinnert er sich. Stattdessen habe er seinen eigenen Kopf gehabt und seine Gedanken auch öffentlich kundgetan: „Da gab es Lehrer, die mein freies Denken unterstützten, aber durchaus auch andere, denen das weniger gefiel“.

In der Oberstufe kristallisierte sich zwar zunehmend Dieters Interesse an der Biologie heraus, aber ein möglicher wissenschaftlicher Werdegang zeichnete sich zunächst nicht ab. „Die akademische Bandbreite an Berufen war mir nicht so bekannt, was auch daran lag, dass ich der erste in meiner Familie bin, der studiert hat“, erzählt Alexander Dieter. Die Unterstützung seiner Familie war ihm jedoch stets gewiss, und deren Interesse an seinem neuen, akademischen Umfeld äußerte sich spätestens, als sein Vater sich mit Eintritt in die Rente schließlich selbst an der Universität Frankfurt einschrieb.

Was tun nach dem Abitur?

Am Ende entscheidet sich der Abiturient für ein Biologiestudium an der Universität Frankfurt. Einen kurzen Moment überlegt er sogar, auf Lehramt zu studieren. „Aber schon damals störte mich am Lehrerberuf der wiederkehrende Alltag. Dann lieber Forscher oder gar ein Beruf im Sozialen: Beides sind Bereiche, in denen ich ständig mit neuen Situationen und Aufgaben konfrontiert wäre – Routine gibt es da kaum“, erklärt Dieter.

Genau vor diesem Hintergrund zieht er nach dem Bachelor nach Göttingen und promoviert dort schließlich 2019 am Institut für Auditorische Neurowissenschaften: „Die Techniken dort, das Umfeld, die Menschen im Labor, die sehr divers aufgestellt waren – da bin ich jeden Tag sehr gern hingegangen, um Neues zu lernen“, beschreibt Dieter seine Motivation. Und natürlich habe ihn das Thema Hören angesprochen: „Ich kann jedem – ohne groß auszuholen – das Ziel des Projektes erklären: eine Hörprothese zu entwickeln, die mittels einer optischen Stimulation des Hörnervs eine entscheidende Verbesserung bei der Hörrehabilitation eines tauben Menschen erzielt.“   

Dieter genießt die Zeit in Göttingen, nimmt viel Neues mit, aber irgendwann bahnt sich eine Entscheidung an – Zeit für einen erneuten Aufbruch: „Um Karriere in der Wissenschaft zu machen, muss ich mein Profil schärfen – das funktioniert aber nicht, wenn ich meine Fähigkeiten ausschließlich im Umfeld der selben Arbeitskolleg:innen entwickle“, erklärt Dieter. Denn: Wie soll er als selbstständiger Wissenschaftler – wenn er eines Tages eigene Forschungsgelder beantrage – rechtfertigen, warum er die Gelder erhalten solle und nicht das Labor, aus dem er komme?

Erfolgreicher Coup

Auf einer Neurobiolog:innen-Fachtagung im April 2019 in Göttingen wagt der Nachwuchsforscher schließlich einen Coup: Nach der Präsentation seiner Promotionsergebnisse wirft er kurzerhand eine Jobanzeige an die Wand – und sein heutiger Arbeitgeber Professor Simon Wiegert wird – über kurze Umwege – auf ihn aufmerksam. „Meine Idee war, dass ich mit der Anzeige junge Labore erreiche, die ambitioniert sind,  Neues anzuschieben“, erklärt Dieter. Die Rechnung ging auf. Ende 2019 zog er nach Hamburg, seit 2020 arbeitet Alexander Dieter als Postdoktorand am Zentrum für Molekulare Neurobiologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

Um die Forschung ums Cochlea-Implantat tue es ihm zwar schon ein wenig leid, aber der junge Mann ist sich sicher, dass die Göttinger Kolleg:innen ihr Ziel erreichen – eben auch ohne ihn: „Am Ende des Weges steht die Hörprothese als Leuchtturm. Der Weg dahin ist noch weit, aber zu schaffen.“  

Gelungene Überraschung

Dass er für seine Ergebnisse mit dem Friedrich Hirzebruch-Promotionspreis 2021 ausgezeichnet worden ist, erfüllt den 31-Jährigen mit Stolz: „Es fühlt sich extrem gut an, wenn das Lob von außerhalb kommt. Und es macht mich sehr glücklich, dass meine Forschung vor unabhängigen Gutachtern Bestand hat!“  Er sei aber sehr überrascht gewesen, dass er den Preis erhalten habe: „Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet!“

Sein aktuelles Forschungsfeld „Synaptische Verkabelung und Informationsverarbeitung“  lässt ihm einen wissenschaftlichen Spielraum. Es geht dabei um die Frage, wie Aktivitätsmuster im Gehirn auf synaptischer Ebene codiert werden. „In diesem Bereich gibt es noch viele offene Enden, da sehe ich eine größere Chance, meine eigene Karriere voranzutreiben, Schwerpunkte zu entwickeln, um mein Profil zu schärfen.“

Aufbruch, Bewegung und Abwechslung charakterisieren den beruflichen Werdegang des Forschers, aber auch in der Freizeit sieht es nicht anders aus: Alexander Dieter wandert und reist, liebt die Natur, sitzt gern auf dem Motorrad und besitzt sogar einen Jagdschein: „Im Nachhinein erinnern wir uns doch immer an die ungewöhnlichen Momente im Leben, an das, was eben nicht Routine ist.“

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Stand: 11. Juni 2021