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Fritz Deufel: „Die Möglichkeit vor Ort an der Nanjing University zu sein war ein absolutes Highlight“

Fritz Deufel (26) kam im Rahmen seiner Forschung im Bereich der organischen Chemie immer wieder in Kontakt mit chinesischen Wissenschafter:innen und deren Arbeiten. Durch das China-Kolleg konnte er seine Perspektive auf China reflektieren und erweitern. Vor allem an den Austausch mit den anderen Kollegteilnehmer:innen und die Begegnungen vor Ort erinnert er sich gerne.

Lieber Fritz Deufel, mit welcher Motivation haben Sie sich für das China-Kolleg beworben?

Während meiner Forschungsaufenthalte, beispielsweise am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim und an der Universität Uppsala hatte ich viel Kontakt zu Forschenden aus China, habe mich damals aber nicht intensiver mit China beschäftigt. Das chinesische Wissenschaftssystem hat in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung hingelegt, beispielsweise im Hinblick auf die Anzahl, aber mittlerweile vor allem auch Qualität an wissenschaftlichen Publikationen. Meine Perspektive hat sich daher sehr verändert und ich habe ein zunehmendes Interesse entwickelt, wie das chinesische Forschungs- und Wirtschaftssystem gewachsen ist und wo Kooperations- und Entwicklungsmöglichkeiten bestehen sowie für die potentiellen Konflikte und Gefahren gerade vor dem Hintergrund einer angespannten weltpolitische Lage.

Welcher Programmbestandteil des Kollegs hat Ihnen besonders gut gefallen?

Die Möglichkeit vor Ort an der Nanjing University zu sein, war zweifellos ein absolutes Highlight. Dabei haben mich vor allem die persönlichen Einblicke der Vortragenden und der chinesischen Studierenden begeistert, die ein enorm facettenreiches und lebensnahes Bild vom Hochschulleben in China vermittelt haben. Konkrete Beispiele sind Berichte zum Lernstress zur Vorbereitung auf das gāokǎo (Hochschulprüfung), Infos zum fǔdǎoyuán – einem Ansprechpartner für „praktische Probleme“ der Studierenden, aber auch konkrete Tipps zum regionalen Lieblingsessen oder Lieblingsort in Nanjing.

Gab es Themen, für die Sie sich besonders begeistern konnten?

Bei den Vorträgen und Diskussionen zu den Themen wie Wissenschaftskooperation und wirtschaftsnahe Forschungsinstitute oder Strategien zu De-Risking und Diversifying habe ich wohl am meisten Notizen gemacht. Faszinierend und auch mein geheimer Favorit waren aber die geschichtlichen Vorträge, beispielsweise zum ersten Präsident der Republik China, Sun Yat-sen, da anhand konkreter Aspekte die jüngere chinesische Geschichte eindrücklich erklärt und damit auch die aktuelle politische Situation verständlicher wurde.

Wie würden Sie die allgemeine Atmosphäre des Kollegs beschreiben?

Das Kolleg war durch die Auslandsphase und das vielfältige Programm definitiv sehr lehrreich, aber auch intensiv. Ich hatte die Möglichkeit, mich mit chinesischen Studierenden vor Ort auszutauschen und mit anderen Kollegteilnehmenden – nun Freunden – verschiedene Eindrücke zu sammeln. Trotz der verschiedenen fachlichen Hintergründe und durchaus kritischen Auseinandersetzung mit China war das Miteinander im Kolleg sehr freundschaftlich.

Was war Ihr persönliches Highlight des Kollegs?

Neben den Teilnehmenden des Kollegs, dem chinesischen Essen und der thematisch breiten Auswahl an exzellenten Vorträgen bleiben für mich persönlich die Gespräche an einem Abend mit chinesischen Theater- und Filmstudierenden in Erinnerung, die wir zuvor bei einem gemeinsamen Programmpunkt kennengelernt haben.

Wie haben Sie das Campusleben an einer chinesischen Universität erlebt?

Das Campusleben unterscheidet sich kaum merklich von einer deutschen Uni, ist jedoch mit Sportaktivitäten, Supermärkten und Wohnheimen auf dem Campus zentralisierter. Aber die Studierenden sitzen auch viel in der Bibliothek der Uni, spielen Basketball und treffen sich zum Essen in der Mensa. Ein großer Unterschied ist das militärisch angehauchte Hissen der chinesischen Fahne von der Flaggen AG auf dem Campusgelände.

Welche Erfahrung in China war für Sie besonders überraschend oder eindrucksvoll?

Sehr überrascht hat mich der Fakt, dass grundlegende Probleme wie Überalterung der Bevölkerung, Fake-News, eine angespannte wirtschaftliche Lage oder getrübte Zukunftsaussichten auch hier eine große Rolle spielen und das trotz der kulturellen und politischen Unterschiede zwischen Deutschland und China. Beeindruckt hat mich, wie offen und kontaktfreudig die Menschen vor Ort waren. Trotz Sprachbarriere war es oft super einfach mit Hilfe von Übersetzungsprogrammen oder den Kenntnissen aus dem Chinesisch-Sprachkurs mit Leuten über verschiedenste Themen ins Gespräch zu kommen. Gerade die Studierenden hatten großes Interesse am Austausch mit uns, auch über sensiblere Themen.

Welche Erkenntnisse nehmen Sie aus dem Kolleg mit?

China ist groß, China ist kulturell und geschichtlich vielfältig und auch kompliziert – das macht es oft schwierig einheitlich von „China“ zu sprechen. Die Menschen vor Ort waren uns als Gruppe gegenüber sehr aufgeschlossen, überraschend offen, gastfreundlich und sehr daran interessiert, mit uns in den Dialog zu treten. Genau diese Haltung sowie ein grundlegendes Wohlwollen vermisst man, trotz aller zu Recht kritischen Auseinandersetzung, bedauerlicherweise momentan im öffentlichen Diskurs sowohl von deutscher als auch chinesischer Seite.

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Stand: Juni 2024