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Berichte

Lea Bächlin: „So ein Schwarz-Weiß-Denken ist nicht angebracht“

Lea Bächlin, 23, setzt sich im Rahmen des China-Kollegs intensiv mit der Volksrepublik auseinander und plädiert für eine differenziertere Betrachtungsweise. Zugleich freut sie sich über das freundschaftliche Miteinander und den regen Austausch mit den Teilnehmer:innen des Kollegs.

Frau Bächlin, warum haben Sie sich für das China-Kolleg beworben?

Ich habe 2022 an der von der Schweizerischen Studienstiftung organisierten Sommerakademie „Davor – Ästhetik des Antizipatorischen“ teilgenommen. Dort hat mir eine der deutschen Teilnehmerinnen vom China-Kolleg erzählt. Ich war damals neu in der Schweizerischen Studienstiftung und fand vieles spannend, auch das Thema China. Ich hatte mich schon öfters darüber geärgert, dass diesem Land im gymnasialen Unterricht viel zu wenig (also eigentlich gar keine) Beachtung geschenkt wurde. Mich reizte die Vorstellung, über einen längeren Zeitraum verschiedene Perspektiven auf und aus China kennenzulernen. Ich wollte Zeitungsartikel über China verstehen und Gespräche zum Thema mitgestalten können.

Mit welchem Thema haben Sie sich in Ihrer AG beschäftigt?

Ich interessiere mich besonders für die außen- und innenpolitischen Verhältnisse rund um China und habe an der AG „China´s Rise & the Future of Global Order - Re-Assessing the Autocracy-Democracy Divide“ teilgenommen. Die Leitfrage der Arbeitsgruppe war, ob China die globale Ordnung verändern will und wird. Wir untersuchten Chinas Beziehungen zu Ländern aus verschiedensten geographischen und politischen Regionen. Ein Dozent aus Taiwan ermöglichte uns zusätzlich tiefe Einblicke in chinesische Wertvorstellungen und Denkweisen.

Zu welchen Erkenntnissen sind Sie bislang gelangt?

Nach der ersten Kolleg-Woche in Berlin hatte ich das Gefühl, die chinesische Kultur besser zu verstehen. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass anders als in der europäischen oder westlichen Welt das Wohl des Kollektivs eher über dem des Individuums steht. Dieses Wissen ermöglicht mir eine andere Perspektive auf die Innenpolitik Chinas. Die jüngsten Proteste gegen die Null-Covid-Politik in der Volksrepublik haben mir allerdings gezeigt, dass die chinesische Gesellschaft nicht alles akzeptiert, was laut der Regierung für das „kollektive Wohl" geschieht.

Was war Ihr persönliches Highlight in der AG?

Die Gruppenarbeiten, bei denen wir zu verschiedenen Themen recherchierten und dann das Erfahrene zusammengetragen haben. Einmal ging es um Chinas wirtschaftliche Expansion in afrikanischen Ländern, ein anderes Mal um Chinas Rolle im Arktis-Konflikt.

Welcher Programmbestandteil des Kollegs hat Ihnen sonst noch besonders gut gefallen? 

Die Präsentation des Filmes „Weiyena" und das anschließende Gespräch mit der Regisseurin Weina Zhao war besonders gelungen. Unser Chinabild war vorher eher etwas distanziert – es tat gut, die Menschen hinter dem Land zu sehen. Abgesehen davon hat mir aber auch den Besuch beim Bundesverband der Deutschen Industrie gefallen. Dort wurde klar, dass die deutsche Industrie sich intensiv mit dem Thema China auseinandersetzt und die Problematik, zum Beispiel bezüglich technischer Innovation, definitiv erkannt hat ­­– aus meiner Sicht halt einfach etwas spät.

Wie würden Sie die allgemeine Atmosphäre des Kollegs beschreiben?

Die Stimmung war großartig! Viele interessierte und interessante junge Menschen auf einem Haufen, da kann eigentlich nichts schiefgehen. Ich war erstaunt, wie viel Chinakompetenz teilweise schon vorhanden war. Aber es gab auch einige Neulinge wie mich. Den späteren Abend verbrachten wir meist in größeren Gruppen und streiften durch die Straßen Berlins. Auch der Umgang mit dem Organisationsteam war freundschaftlich und unkompliziert.

Was war Ihr persönliches Highlight des Kollegs?

Die täglichen Gespräche mit den anderen Teilnehmer:innen in der Mittagspause! Wir tauschten uns erst über das neu Gelernte aus und schweiften dann meist in ganz andere Themengebiete ab...

Was nehmen Sie bislang aus dem Kolleg mit?

Einiges an Chinakompetenz, würde ich sagen. Das heißt nicht, dass ich die chinesische Regierung und Bevölkerung jetzt verstehe. Aber ich habe das Gefühl, dass nicht alles immer so eindeutig ist, wie es beim ersten oberflächlichen Blick auf die Volksrepublik erscheinen mag. So ein Schwarz-Weiß-Denken ist nicht angebracht.

Mit welchen Zielen aber auch Fragen gehen Sie in die zweite Arbeitsphase des Kollegs?

Ich möchte noch mehr über die chinesische Geschichte erfahren. Glücklicherweise bin ich dem Workshop „Staat und Gesellschaft im vormodernen China" zugeteilt worden. So kann ich meine Wissenslücken hoffentlich etwas schließen!

Lea Bächlin, 23, studiert Psychologie an der Universität Zürich und ist Stipendiatin der Schweizerischen Studienstiftung. Sie gehört zum zweiten Jahrgang des 2023 neu gestarteten China-Kollegs der Studienstiftung. Mit diesem möchte die Studienstiftung die Beschäftigung mit dem Land in ihrem Bildungsprogramm verankern, ihre Geförderten zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der Volksrepublik anregen und damit zur Herausbildung eines differenzierten und modernen Chinabildes in Deutschland beitragen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert das China-Kolleg von 2021 bis 2024.

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Stand: April 2023