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Nihal Koymatli: „Ich nahm zum ersten Mal an einem Kolleg teil und war begeistert von der Neugier, Offenheit und dem Enthusiasmus der anderen Teilnehmer:innen"

Nihal Koymatli (21) ging ohne große Vorkenntnisse in das China-Kolleg mit dem Ziel, sich intensiver mit dem Land, seinen Menschen und Eigenheiten auseinanderzusetzen. Aus dem Kolleg nahm sie nicht nur neues Wissen, Perspektiven und Anregungen mit, sondern auch bleibende Erinnerungen an eine erlebnisreiche Zeit in China.

Warum haben Sie sich für das China-Kolleg beworben und welche Erfahrungen haben Sie bereits mit chinaspezifischen Themen?

China kannte ich bisher vor allem aus den Nachrichten, wodurch mir die zunehmende Bedeutung des Landes in vielen Bereichen bewusst war. Mein Blick auf China war dadurch aber recht einseitig und enthielt einige Stereotype und Verallgemeinerungen.

In einem Seminar in  meinem Studium International Business zu Strategien für den Markteintritt im Ausland ging es unter anderem darum, wie wichtig es aus unternehmerischer Perspektive ist, sich mit den jeweiligen Ländern zu beschäftigen. Wir setzten uns mit der Frage auseinander, wie wirtschaftliches Handeln durch Kultur, Sprache und Religion beeinflusst wird. In dem Seminar sprachen wir auch über China und mein Interesse für das Land war sofort geweckt. Vor dem Start des Kollegs belegte ich zur Vorbereitung noch meinen ersten Chinesisch-Kurs an der Universität.

Welcher Programmbestandteil des Kollegs hat Ihnen besonders gut gefallen?

In der zweiten Kollegphase in Nanjing hatte ich die meisten Aha-Momente. Die haben meinen Blick auf China nachhaltig geprägt. Es waren dabei vor allem das vielseitige Programm und die vermittelten Perspektiven auf China, die sich für mich wie ein Mosaik zusammensetzten und die ich dann zusätzlich mit den Alltagserfahrungen in Nanjing anreichern konnte. Ich hatte großen Spaß an den unterschiedlichen Formaten, von Vorträgen und Workshops bis hin zu Exkursionen. Auch die Möglichkeit, eigene Programmpunkte zu organisieren, war sehr motivierend und führte zum Beispiel zu einem tollen Teeseminar eines Kollegiaten. Der Austausch mit chinesischen Studierenden gab uns einen eindrucksvollen Einblick in das Leben und Studium vor Ort, den man sonst wohl nur schwer erhält.

In der ersten Kollegphase haben mir besonders die Abendvorträge, die Exkursion ins Bundesministerium für Wirtschaft und Klima und die Abschlussvorträge der Arbeitsgruppen gefallen. Sehr bewegt hat mich auch eine Filmvorführung über Taxifahrerinnen in der Stadt Xi’an und die anschließende Diskussion mit dem Regisseur.

Welche Themen haben Sie besonders interessiert?

In unserer AG „Governing Digital China“ haben wir uns mit Themen der digitalen Sicherheit und der Funktionsweise des Internets sowie der sozialen Medien beschäftigt. Dabei ging es auch um Plattformen wie TikTok, WeChat und Alipay, welchen Stellenwert diese Apps in der Gesellschaft haben und welchen Einfluss der chinesische Staat auf sie ausübt– vom Shadowbanning bis hin zum Social Credit Score. Sehr aufschlussreich und spannend war dabei ein Gespräch mit einer Person, die viele Jahre in China gelebt und selbst für die Tech-Giganten Tencent und Alibaba gearbeitet hat. Wir diskutierten unter anderem die Unterschiede von Digital Governance in China, Europa und den U.S.A., Geldstrafen für Tencent und Alibaba sowie die Auffassungen über Zensur in der chinesischen Gesellschaft. 

Wie würden Sie die allgemeine Atmosphäre des Kollegs beschreiben?

Die Atmosphäre des China-Kollegs war einzigartig. Ich nahm zum ersten Mal an einem Kolleg teil und war begeistert von der Neugier, Offenheit und dem Enthusiasmus  der anderen Teilnehmer:innen. Wir waren eine sehr diverse Gruppe mit unterschiedlichen fachlichen Hintergründen und Kenntnisstand zu China – dadurch fühlte ich mich wohl, auch grundlegende Fragen zu stellen. 
Zudem hatten wir abseits des fachlichen Austausches auch als Gruppe viel Spaß! Von Berlin-Erkundung, Karaoke in Nanjing bis hin zum Besteigen der Gelben Berge (Huangshan) – wir hatten immer etwas vor.

Was war Ihr persönliches Highlight des Kollegs?

Die Taxifahrten in China! Dabei kam ich unmittelbar mit Menschen vor Ort in Kontakt und konnte in kurzen Gesprächen etwas über sie und ihr Leben erfahren. Ich bin den Stipendiat:innen, die schon erweiterte Chinesisch-Kenntnisse haben, sehr dankbar, dass sie für uns andere übersetzt haben. Ein Moment, auf den ich sehr bewegt zurückschaue, war die Taxifahrt nach Huangshan: Wir fuhren während des Sonnenuntergangs durch die Berge, sangen laut Karaoke mit unserer Taxifahrerin und hörten ihre Lieblingslieder. Am Ende sagte sie, dass es die schönste Taxifahrt ihres Lebens war.

Wie haben Sie das Campusleben an einer chinesischen Universität erlebt?

Beide Standorte, die wir besuchten, waren sehr modern und einladend. Es war immer etwas los: viele abwechslungsreiche Aktivitäten, studentische Communities, es gab zahlreiche Restaurants und Cafés in der Nähe und natürlich auch die Studierendenwohnheime. 

Welche Erfahrung in China war für Sie besonders überraschend oder eindrucksvoll?

Einen tiefen Eindruck hinterließen der technologische Fortschritt und die sehr weitreichende Überwachung. Überrascht war ich z.B., als ich nach meiner Ankunft am Flughafen in Peking von der Zahlung per Face-ID am Getränkeautomaten erfuhr. Auch zum ersten Mal Zug fahren in China war eine aufregende Erfahrung. Eine Pass- und Gepäckkontrolle am Eingang und eine weitere vor dem Betreten der Plattform, auf die man erst einige Minuten vor Abfahrt gelangt. Auch wenn dieses System für eine stressige Erfahrung sorgt, ist das vielleicht der Preis für die beeindruckende Pünktlichkeit.

Welche Erkenntnisse nehmen Sie aus dem Kolleg mit?

Aus dem Kolleg nehme ich viele neugewonnene Einsichten und ein Wissen mit, die über die Berichterstattung zu China in den Medien hinausgehen. Das Kolleg half mir dabei, eine eigene Perspektive auf China zu entwickeln. Eine solche China-Kompetenz ist enorm hilfreich und wichtig und sollte bereits in der Schulzeit gefördert werden.

Und nicht zuletzt: Das Land und die Menschen vor Ort kennenzulernen ist unglaublich wertvoll, denn Worte können diesen Erfahrungen – sowohl den berührenden als auch den herausfordernden – nur schwer gerecht werden.

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Stand: Juni 2024