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Maurice Zeuner: „Rückschläge können für einen Wissenschaftler wertvoll sein“

Stipendiat Maurice Zeuner (Physik, Universität Leipzig) berichtet von der Lindauer Nobelpreisträgertagung 2019.

Herr Zeuner, warum haben Sie sich für die Nobelpreisträgertagung beworben?

Ich bin Bachelorstudent und daher noch nicht spezialisiert auf ein Teilgebiet der Physik. Neben Vorlesungen aus diesen Gebieten erweisen sich Gespräche mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Fachbereiche als beste Möglichkeit, einen Einblick in Themen zu erhalten, die man in dieser Art vorher noch nicht kennengelernt hat. Die Lindauer Nobelpreisträgerkonferenz erschien mir unglaublich geeignet um genau diese Gespräche zu führen. Letztlich war es aber natürlich auch schlicht und ergreifend die Neugier, dieser Vielzahl von faszinierenden Menschen aus aller Welt zu begegnen.

Welcher Programmpunkt hat Ihnen besonders gut gefallen?

Oh, da fallen mir viele ein! Die „Open Exchange“-Sessions zum Beispiel, die einen lockeren Rahmen zum ungezwungenen Austausch boten, ohne dass ein Moderator ständig auf die Uhr schaut und spannende Diskussionen aus zeitlichen Gründen abbrechen muss. Die Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträger haben in diesen Runden viele persönliche Anekdoten eingestreut, die ich so auch noch nicht gehört hatte. Ein anderer guter Programmpunkt war natürlich auch die Schifffahrt zur Insel Mainau, da ergaben sich in wirklich launiger Atmosphäre viele tiefgründige Gespräche.

Mit wem sind Sie dabei ins Gespräch gekommen?

Tatsächlich mit erstaunlich vielen Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträgern. Unter anderem mit Steven Chu, William D. Phillips, Wolfgang Ketterle, Brian P. Schmidt, Rainer Weiss und Joachim Franck. Natürlich machten Gespräche mit den anderen young scientists einen Großteil aus, was für mich aber – gerade auch als einer der jüngsten Teilnehmer – eine in dieser Intensität neue Erfahrung war.

Welche Nobelpreisträgerin oder welcher Nobelpreisträger hat Sie am meisten beeindruckt?

Wirklich beeindruckt hat mich Steven Chu. Es ergab sich am „Bayerischen Abend“, dass ich zufällig direkt neben ihm saß. Was folgte,  waren über dreieinhalb Stunden Gespräch und Diskussion über verschiedenste Themen aus Wissenschaft, Politik und allem dazwischen. Tatsächlich haben wir uns in solch einer Intensität ausgetauscht, dass wir einen gesamten Gang des Dinners verpasst haben – doch den Preis habe ich gern gezahlt. Steven Chu besitzt ein ganz besonders breites Wissen, ausgewogene und wohlüberlegte Ansichten und vor allem die Gabe, zuzuhören und wirklich auf den Punkt erklären zu können.

Wie würden Sie die Atmosphäre auf der Nobelpreisträgertagung beschreiben?

In einer ersten Approximation würde ich sagen, eine gesunde Superposition aus sprunghaft auf null fallenden Berührungsängsten, konstant hoher Neugier und Inspiration, aber auch streng monoton wachsendem Schlafmangel. Dabei konnte der der letzte Effekt durch koffeinhaltige Heißgetränke und unter Steigerung der Faszination glücklicherweise nach unten korrigiert werden. Was ich aber wirklich noch einmal hervorzuheben möchte, ist die Tatsache, dass wirklich niemand auch nur eine Sekunde nicht die Möglichkeit gehabt hätte, mit anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu reden, und zwar ganz unabhängig von Nationalität, Alter oder persönlichem Kenntnisstand. Diese Atmosphäre von bedingungsloser und derart couragierter Gesprächsbereitschaft habe ich bisher noch nicht auf so großen Skalen erlebt. Das war etwas ganz Besonderes.

Was war ihr persönliches Highlight auf der Nobelpreisträgertagung?

Ganz sicher der südafrikanische Abend – tanzende Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträger!

Welcher Gegenstand, welches Hilfsmittel durfte auf der Tagung nicht fehlen?

Der morgendliche Kaffee. Wir hatten teilweise durchgängig Programm von 7 Uhr bis 23:30 Uhr. Dazu kam dann natürlich noch der Weg vom und zum Hotel, viel Schlaf war also nicht unbedingt vorgesehen.

Wie hat Ihnen die Nobelpreisträgertagung insgesamt gefallen?

Sehr, sehr gut! Ich war einer der Jüngsten und habe mich trotzdem kein bisschen fehl am Platz gefühlt. Alle Gesprächspartner waren immer und gern bereit, mir alles zu erklären, ganz egal wie elementar meine Fragen auch waren. Das Gesamtwerk aus einem fantastischen Tagungsort, gutem Essen, bestem Wetter, motivierten young scientists und 39 Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträgern – unschlagbar!

Was nehmen Sie mit von der Nobelpreisträgertagung?

Vor allem eine Botschaft: Eigentlich jeder Nobelpreisträgerin und jeder Nobelpreisträger hatte in seiner Karriere einen oder mehrere Fehlschläge, hat sein Feld drastisch gewechselt oder war sogar kurz davor, ganz aus der Wissenschaft auszusteigen. Diese Dinge gehören zum Weg einer Wissenschaftlerin oder eines Wissenschaftlers dazu! Wer die Neugier nicht verliert, wird aber auf lange Sicht in der Lage sein, aus diesen Rückschlägen etwas zu gewinnen, was vielleicht am Ende sogar wertvoller ist, als wenn alles nach Plan verlaufen wäre.