Stipendiat:innen / 

Berichte

Fatma Resit: "Wir müssen das kulturelle Erbe nationaler Minderheiten schützen"

Fatma Resit (Jura, Uni Hamburg) nimmt in ihrer Dissertation den einzigen völkerrechtlichen Vertrag in den Blick, der explizit dem Schutz von Sprachen gewidmet ist, nämlich die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen. Dabei stellt sie sich die Frage, inwieweit die Verpflichtungen aus der Charta auch digitale Medien umfassen. Mit dem Themenkreis kam sie schon frühzeitig durch ihr langjähriges Engagement in Verbänden der europäischen autochthonen Minderheiten in Berührung. Das Foto zeigt Fatma Resit vor dem Gebäude des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg, wo sie überwiegend forscht.

Welcher Forschungsfrage gehen Sie nach und welchen Beitrag zu Wissenschaft und/oder Gesellschaft erhoffen Sie sich damit?

In meiner Arbeit untersuche ich die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Bestimmungen der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, dem bis heute einzigen völkerrechtlichen Vertrag, der explizit dem Schutz von Sprachen gewidmet ist. Der Regelungsgehalt der Charta geht auf Entwurfsarbeiten aus den 1980er Jahren zurück; die Prämissen der Regelungen im Medienbereich basieren daher auf einem überkommenem Bild der Medienlandschaft, welches den massiven institutionellen und technologischen Wandel seit der Verabschiedung der Charta im Jahre 1992 nicht mehr einzufangen vermag.

In Ermangelung expliziter Verpflichtungen haben es bisher auch die Vertragsstaaten größtenteils unterlassen, den Gebrauch und die Präsenz von Regional- und Minderheitensprachen in den neuen Medien zu schützen und zu fördern, obgleich diese Sprachen dort bisher kaum Fuß fassen konnten und ihnen somit im Zuge der weiteren Digitalisierung eine Marginalisierung droht.

In meiner Arbeit untersuche ich unter Zugrundelegung der sog. evolutiven Auslegungsmethode, ob die Verpflichtungen aus der Charta auch digitale Medien erfassen und ob Vertragsstaaten zum Schutz und zur Förderung von Regional- und Minderheitensprachen in den neuen Medien verpflichtet werden können.

Was hat Sie an der bisherigen Arbeit an Ihrem Projekt am meisten überrascht?

Am meisten überrascht hat mich die Erkenntnis, dass Vielfalt und Diversität zwar heutzutage auf der Agenda sämtlicher nationaler und internationaler Institutionen stehen, überwiegend allerdings Maßnahmen getroffen werden, die den Regional- und Minderheitensprachen und ihren Sprechern mehr Schaden als Nutzen bringen.

Beispielsweise hat vor zwei Jahren der beratende Ausschuss des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten mit einer juristisch dünnen Argumentation den Anwendungsbereich zahlreicher Bestimmungen des Rahmenübereinkommens für neue Minderheitengruppen geöffnet, wodurch autochthone Minderheiten – deren Schutz doch ursprünglich die Raison d'Être des Übereinkommens gewesen ist – nun aus dem Fokusbereich der Konvention und somit auch staatlicher Maßnahmen verdrängt werden.

In Zeiten fortschreitender Globalisierung wäre es jedoch wichtiger denn je, die Traditionen, Kulturen und Sprachen von nationalen Minderheiten in ihrer Eigenschaft als bedrohtes kulturelles Erbe zu schützen und zu fördern.

Wie würden Sie Ihr persönliches Verhältnis zu Ihrem Projekt beschreiben?

Vor Beginn meiner Promotion habe ich mich sehr viele Jahre in Verbänden der europäischen autochthonen Minderheiten engagiert, wodurch ich selbstverständlich auch einen persönlichen Bezug zu meinem Dissertationsthema habe. Ungeachtet dessen lege ich größten Wert darauf, die in meiner Dissertation aufgeworfenen Fragen allein am Maßstab des Rechts und unter Zugrundelegung völkerrechtlicher Auslegungsmethoden zu beantworten.

Wann bzw. in welchem Umfeld kommen Ihnen die besten Ideen für Ihre Forschung?

Juristische Forschung vollzieht sich die allermeiste Zeit hinter Büchern und am Computer, so dass ich am Schreibtisch auch die meisten Ideen entwickle. Letztes Jahr habe ich zudem gemeinsam mit meinem Betreuer und Wissenschaftlern aus Linguistik und Medienwissenschaften den Sachverständigenausschuss der Charta zu Fragen der neuen Medien beraten. Der intensive interdisziplinäre Austausch war sehr gewinnbringend und hat mich auf sehr viele neue Ideen für meine Arbeit gebracht.

Was tun Sie, wenn Sie nicht an Ihrem Projekt forschen?

Ich habe eine kleine Stelle als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Speyer, wo wir gemeinsam mit dem Forschungsinstitut für die öffentliche Verwaltung an verschiedenen mit der Digitalisierung einhergehenden Rechtsproblemen arbeiten. Zudem bin ich ehrenamtliche Mentorin und gehe in der restlichen mir zur Verfügung stehenden Zeit gewöhnlichen Freizeitaktivitäten nach: Ich treibe Sport, gehe gerne wandern oder besuche kulturelle Veranstaltungen.   

Welche Vorzüge hat das Promovieren mit einem Stipendium der Studienstiftung?

Da ich vor Erhalt des Stipendiums eineinhalb Jahre promotionsbegleitend gearbeitet habe, weiß ich die finanziellen Vorzüge des Stipendiums zu schätzen, das mir endlich die Konzentration auf mein Dissertationsprojekt ermöglicht hat. Ein weiterer Vorteil ist auch, dass ich örtlich an keinen festen Ort gebunden bin, weshalb ich seit Erhalt des Stipendiums auch überwiegend am Max-Planck-Institut für Völkerrecht in Heidelberg forsche. Nicht zuletzt ist freilich die ideelle Förderung der Studienstiftung hervorzuheben – insbesondere die Doktorandenforen habe ich bisher sowohl fachlich als auch menschlich als sehr bereichernd empfunden.