Chemie-Nobelpreisträger Professor Dr. Joachim Frank: von Siegen nach New York

Joachim Frank, 1940 in Siegen geboren und aufgewachsen, wurde von 1964 bis 1969 während seines Hauptstudiums und seiner Promotion von der Studienstiftung gefördert. Nach seinem Physik-Vordiplom, das er zuvor in Freiburg abgelegt hatte, studierte er in dieser Zeit an der Ludwig-Maximilians-Universität München und promovierte ab 1967 am Max-Planck-Institut für Eiweiß- und Lederforschung und der Technischen Hochschule (heute: Technische Universität) München.

Er nahm an wissenschaftlichen Tagungen der Studienstiftung und im Sommer 1964 an einer Sommerakademie in Alpbach teil, wo er sich mit dem Thema „Die Geschichte des Gen-Begriffs von Gregor Mendel bis heute“ beschäftigte. Die Akademie, weitere Veranstaltungen sowie der von ihm mitgegründete „Arbeitskreis Informationstheorie“ waren für Joachim Frank prägend: Er lernte dort Freunde wie z.B. Wolf Singer kennen, die ihm zum Teil bis heute privat wie fachlich wichtige Gesprächspartner geblieben sind.

Wissenschaftliche Karriere in den USA

Direkt im Anschluss an seine Promotion zog Joachim Frank mit einem Harkness Fellowship für zwei Jahre in die USA. Er kam 1972 für kurze Zeit zurück nach Deutschland an das Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried, ehe er für zwei Jahre am Cavendish Laboratory der University of Cambridge forschte. 1975 kehrte er zurück in die USA: Das Wadsworth Center in Albany, New York State, bot ihm eine Stelle an. Große Teile seiner frühen Pionierarbeit zur 3-D-Rekonstruktion von zweidimensionalen elektronenmikroskopischen Aufnahmen fallen in seine dortige Forschungszeit.

In den USA lebt und forscht Joachim Frank seitdem mit kurzen Unterbrechungen – etwa als Humboldt-Forschungspreisträger am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg oder im Rahmen von Forschungsaufenthalten am Medical Research Council in Cambridge. Der Wissenschaftler hat inzwischen die amerikanische Staatsbürgerschaft und ist seit 2008 Professor für Biochemie, molekulare Biophysik und Biowissenschaften an der Columbia University in New York. Joachim Frank ließ sich dabei auf seinem Lebensweg stets von seiner Intuition und auch dem Zufall leiten: Er habe, so seine Selbsteinschätzung, stets ein gutes Gespür für neue Wege, neue Möglichkeiten oder die Entschlüsselung bislang ungelöster Probleme gehabt. Sein Lebensmotto laute daher: „Eyes Wide Open, to be able to recognize even peripheral elements in my vision that could impact the ongoing quest.”

Früh macht der Nobelpreisträger zudem die Erfahrung von Wissenschaft als gemeinsamem Streben nach Erkenntnis, wie er bereits in seinem Semesterbericht von 1968 an die Studienstiftung schrieb: „Die Zusammenarbeit mit den anderen Physikern in der Gruppe Elektronenmikroskopie ist sehr gut. Die Arbeitsbereiche verschwimmen zwar ineinander, aber gerade diese Überlappung ist eine Voraussetzung für gegenseitige Hilfe. Solange die Dissertation ausschließlich als Leistung des Einzelnen beurteilt wird, ist man darauf angewiesen, gegen eigene Neigung ein Etwas abzugrenzen, das inhaltlich zu einem Ganzen gehört.“

Nobelpreis für seinen Beitrag zur Kryo-Elektronenmikroskopie

Den Nobelpreis hat Joachim Frank gemeinsam mit Jacques Dubochet und Richard Henderson für ihre Arbeiten im Gebiet der Kryo-Elektronenmikroskopie erhalten – eine Technik, die die Bestimmung der Struktur von Biomolekülen im nahezu nativen Zustand erlaubt. Joachim Frank entwickelte hierfür eine mathematische Methode, dank derer sich aus vielen unscharfen zweidimensionalen Aufnahmen eine detaillierte dreidimensionale Struktur errechnen lässt und somit erstmals einzelne Bestandteile sowie Abläufe im Inneren einer Zelle sichtbar werden. „An individual image of a molecule is very noisy. It’s meaningless. Only averages over large numbers have any meaning”, so Joachim Frank.

Joachim Frank ist überzeugt davon, dass die Kryo-Elektronenmikroskopie den Horizont für weitere Entdeckungen öffnet und sich neue Chancen im Kampf gegen Krankheiten eröffnen. Der Nobelpreis ist für ihn aber nicht nur wissenschaftliche Auszeichnung, vielmehr eröffne er ihm auch neue Freiheiten – etwa die Entscheidungsfreiheit darüber, welche Artikel er tatsächlich schreiben möchte.

Fotografie und kreatives Schreiben

Doch der Nobelpreisträger sieht sich nicht nur als Wissenschaftler, sondern auch als Fotograf und Autor, er hat zahlreiche Kurzgeschichten und Flash-Fiction-Stories in Print und Online veröffentlicht: „Beides, Fotografie und Schreiben, sind zusammen mit der Wissenschaft für mich natürliche Betätigungsfelder für meinen stark kompartimentalisiert arbeitenden Verstand. Ich brauche diese beiden „extracurricularen“ Aktivitäten um mich als ganze Person zu fühlen. Ein Leben ohne diese Balance ist für mich unvorstellbar.“

In seinem Blog präsentiert Frank neben fiktionalen Geschichten auch Fotos und politische Statements oder berichtet von beeindruckenden Momenten in seinem Leben, wie der Unterzeichnung im Buch der Nobelpreisträger: „The book has been kept since 1952. Every page represents a year. Even if nothing had impressed me before, this book certainly sends shivers down my spine. Obama’s signature right next to Venki Ramakrishnan, Tom Steitz, Ada Yonath. Ernst Ruska. Günter Blobel. Look, there is Aaron Klug! And Günter Grass! How do people express surprise nowadays? OMG!“

Studienstiftung: insgesamt fünf Nobelpreisträger

Joachim Frank ist der fünfte Alumnus der Studienstiftung, der für seine Forschung mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wird. Weitere Ehemalige, die diese Ehrung erhielten, sind Hans Jensen (Nobelpreis für Physik 1963), Robert Huber (Nobelpreis für Chemie 1988), Erwin Neher (Nobelpreis für Medizin und Physiologie 1991) und Wolfgang Ketterle (Nobelpreis für Physik 2001).