Page 52 - Jahresbericht 2018
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Eine Welt der Zahlen Sein ganzes Leben dreht sich jetzt um Mathematik. Er liest Fachbücher und wissenschaftliche Artikel, täglich und mehrere Stunden lang. Selbst wenn er in der U-Bahn sitzt, denkt er über Problemstellungen und Lösungswege nach. Peter Scholze will Zusam- menhänge verstehen und Probleme lösen. „Die Ma- thematik ist bereits da, es geht darum, sie zu entde- cken“, sagt er. Peter Scholze ist so gut, dass er in der elften Klasse vom Mathematikunterricht freige- stellt wird. Stattdessen besucht er Seminare und Vorlesungen an der Freien Universität. Nebenher spielt er Gitarre in einer Band – und er bereitet Mit- schüler auf deren Teilnahme an Mathematik-Wettbe- werben mit vor. Dabei will er vermitteln, wie viel Spaß Mathematik macht. Peter Scholze strahlt diese Leichtigkeit aus. Studium und Promotion auf der Überholspur Nach seinem Abitur 2007 geht er zum Mathematik- studium an die Universität Bonn. Hier werden seine Studienleistungen aus Berlin angerechnet, so dass er nach drei Semestern „regulären“ Studiums seinen Bachelorabschluss erhält, nach weiteren zwei Se- mestern den Masterabschluss. 2012 promoviert Peter Scholze zum Thema „Perfec- toid Spaces“ bei Michael Rapoport. Ein schwieriges, ein sehr anspruchsvolles Thema: Peter Scholze ist auf der Suche nach einer Theorie, einem Zusam- menhang, den andere nicht sehen. Es gelingt ihm. Er stellt eine neue Theorie zur Beschreibung von p-adischen Räumen auf. Mit Hilfe dieses neuen An- satzes kann er unter anderem ein wichtiges Theo- rem seines Bonner Kollegen Gerd Faltings, dem ersten deutschen Träger der Fields-Medaille und ebenfalls Alumnus der Studienstiftung, verallgemei- nern und neue geometrische Interpretationen für Räume liefern, die sein Doktorvater Michael Rapo- port erstmals beschrieben hatte. Er erweitert das Methodenspektrum der Mathematik damit ganz we- sentlich und unerwartet. Seine Doktorarbeit ist noch nicht abgeschlossen, da werden seine Ideen bereits an den besten Hochschulen der Welt diskutiert. Es ist der erste Fortschritt auf diesem Gebiet seit über 30 Jahren. Jüngster Professor Deutschlands Im gleichen Jahr beruft ihn die Bonner Universität auf einen Lehrstuhl am Hausdorff Center for Mathe- matics. Damit wird Peter Scholze, ohne formale Ha- bilitation, mit nur 24 Jahren zum jüngsten Professor in Deutschland berufen. Hier kann er tun, was er am liebsten tut: über den Zusammenhang zwischen Zahlen und Geometrie nachdenken. „Gute Mathe- matik“, sagt er, „beschreibt Dinge, die im Nachhinein betrachtet unausweichlich waren.“ Sein Traum ist – früh – in Erfüllung gegangen. Seine Arbeiten zu den Langlands-Vermutungen sor- gen für Aufsehen in der Fachwelt. Robert P. Lang- lands postulierte 1967, dass es zwischen verschie- denen Gebieten der Mathematik Verbindungen geben müsse, die es ermöglichen würden, viele bis- her ungelöste Probleme aus einem Teilgebiet in ein anderes zu „übersetzen“, um diese dort dann viel- leicht lösen zu können. Daraus ergaben sich zahlrei- che Vermutungen über diese hypothetischen Verbin- dungen, die als „Langlands-Programm“ bekannt wurden und an deren Beweis seitdem Mathematiker auf der ganzen Welt arbeiten. Scholze beweist Teile dieser Vermutungen mit geometrischen Methoden. Fields-Medaille als vorläufiger Höhepunkt Seitdem hat Peter Scholze zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen gewonnen, darunter den Ostrowski-Preis, den Fermat-Preis, den Gott- fried Wilhelm Leibniz-Preis, den Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissen- schaften, den EMS-Preis – und, im Alter von 30 Jah- ren, die Fields-Medaille. Der Kontakt zu Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden ist ihm ein wichtiges Anliegen. „Ich möchte etwas von der Förderung, die ich erfahren habe, zurückgeben. Deshalb halte ich – wann immer mein Terminkalender es mir erlaubt – zum Beispiel öffentliche Vorträge für Schüler oder treffe mich bei uns am Hausdorff Center mit Praktikanten, um junge Menschen für die Welt der mathematischen For- schung zu begeistern, die man so in der Schule nicht kennt.“ n Preisträgerinnen und Preisträger 51 


































































































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