Page 35 - Jahresbericht 2018
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Politiken der journalistischen Reisefoto- gra e im Jahr 1937: bildwissenschaftliche Forschung in Russland und der Schweiz Von dem Exposé-Stipendium der Studienstiftung erfuhr ich aus der Ausschreibung Anfang 2018 sowie von Professorin Eva Ehninger, die seit September 2018 als Erstbetreuerin meine Dissertati- on „Annemarie Schwarzenbachs Bildberichte aus Nordeuropa 1937–38. Journalistische Reisefotogra- fie und politische Ästhetiken des Dokumentarischen“ an der Humboldt-Universität zu Berlin begleitet. Ich bewarb mich auf die Exposé-Förderung, um die Materialsichtung in Russland und der Schweiz orga- nisieren zu können. Im Juni 2018 führte mich eine Forschungsreise von Berlin über Moskau und Krasnogorsk nach Basel, Bern und Winterthur. In meinem Promotionsprojekt untersuche ich die fotografische Arbeit Annemarie Schwarzenbachs (1908–42) im Kontext ihrer journalistischen Expedition in die Sowjetunion, nach Estland, Litauen, Lettland, Finnland und Schweden (1937–38). Ich möchte einen Beitrag zur Erfor- schung des fotografischen Nachlasses Schwarzen- bachs leisten und die literaturwissenschaftliche Rezeption erweitern. Prozesse einer politischen Diskursivierung der journalistischen Reisefotografie im Nationalsozialismus bilden meinen Analysefokus. Ich gehe von der These aus, dass die nordeuropäi- schen Reisen aus Schwarzenbachs bildwissen- schaftlichem Interesse am Medium der Fotografie und ihrem politischen Engagement in der antifaschistischen Bewegung entstanden. Die erste Materialsichtung habe ich in der Russi- schen Staatsbibliothek in Moskau und im Russischen Staatsarchiv für Film- und Fotodokumente in Krasnogorsk vorgenommen. Sie umfassten die Bildproduktion von Olga Ignatovich (1905–84) und Olga Lander (1909–96) während ihrer Auftrags- reisen nach Estland, Litauen, Lettland und Finnland (1937). Diese Fotogra en benutze ich für eine vergleichende Analyse, um ein ussreiche Bildtechni- ken der sowjetischen Fotoavantgarde zu untersu- chen. Zur genannten Thematik fand ich rund 400 bisher nicht erforschte Positivabzüge von Lander. Ignatovichs ermittelter Werknachlass verzeichnet etwa 70 relevante fotografische Glas- sowie Filmnegative und gut 120 Positivabzüge. Bei meinem Forschungsaufenthalt in der Fondation Herzog in Basel ortete ich ein Konvolut aus zwölf schwarzweißen fotografischen Positivabzü- gen, dessen Autorschaft aufgrund meiner Objektanalyse Schwarzenbach zugeschrieben und auf das Jahr 1937 datiert werden kann. Der bildwissenschaftliche Fokus meines Projektes erforderte materiale Objektstudien in Schwarzen- bachs Nachlass im Schweizerischen Literaturarchiv in Bern und in der Fotostiftung Schweiz in Winterthur, bei denen erst detaillierte technische Analysen der Fotografien entstehen konnten. Meine Forschungsergebnisse präsentierte ich im Oktober 2018 auf der Konferenz der Nordic Association for Art Historians an der Universität Kopenhagen. Die Würdigung meines Projektes durch das Exposé-Stipendium führte mich zu einer kritischen Analyse des fotografischen Materials Schwarzen- bachs und zur Erarbeitung eines theoretischen Ansatzes, der über etablierte kunsthistorische Methoden hinausgeht. Die finanzielle Förderung durch die Studienstiftung ermöglichte mir zudem einen unmittelbaren Beginn der Materialsichtung und eine Konzentration auf meine Forschung. Elisaveta Dvorakk, Kunstgeschichte, HU Berlin, Exposé-Stipendiatin von Juni bis August 2018 Elisaveta Dvorakk zählt zu den ersten Ex- posé-Stipendiatinnen der Studienstiftung. Neu: Exposé-Stipendien zur Vorbereitung anspruchsvoller Promotionsprojekte 33 


































































































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