Page 22 - Jahresbericht 2018
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Herkunft abhängig war wie in Deutschland. Seitdem hat sich hierzulande die Chancen- gleichheit positiv entwickelt. Was ist nötig, um die Bildungsgerechtigkeit weiterhin zu erhöhen? PRENZEL: Die Entwicklung ist tatsächlich positiv, aber es bleibt sehr viel zu tun. Ein wichtiger Faktor sind anregungsreiche Umwelten in der frühkindli- chen und vorschulischen Betreuung, die allen Kin- dern vielfältige und weiterführende Erfahrungs- und Lerngelegenheiten geben. Aber wir müssen auch mehr tun, um die vielseitigen individuellen Talente zu entdecken und zu unterstützen, und dies nicht nur bezogen auf das Spektrum unserer Schulfächer. Ich habe manchmal die Sorge, dass wir heute zum Beispiel gestalterische oder technische Talente übersehen könnten, weil diese in der Schule kaum angesprochen werden. Bildungsgerechtigkeit heißt einerseits, allen unabhängig von der Herkunft gleiche Chancen für gesellschaftliche Teilhabe zu bieten, an- derseits aber auch, ein individuelles Pro l von Kom- petenzen und Interessen entwickeln zu können. Und wo sehen Sie hier die Rolle der Studienstiftung? PRENZEL: Die Studienstiftung setzt ihrem Selbst- verständnis gemäß biografisch spät an. Aber wenn heute erhebliche Anteile der Studierenden die Hochschulzugangsberechtigung nicht an herkömm- lichen Gymnasien erworben haben, dann finden wir hier immer wieder interessante Biografien und be- merkenswerte Entwicklungen bei nicht privilegierten Ausgangsbedingungen. Solchen Biografien bei Aus- wahlverfahren gerecht zu werden, betrachte ich als Herausforderung, die nicht leicht zu meistern ist. Einen anderen, aus meiner Sicht sehr wichtigen Beitrag leistet das Botschafterprogramm, in dem Stipendiatinnen und Stipendiaten über Studienbe- dingungen, ihre Biografien (und natürlich auch über die Studienstiftung) informieren, aber eben gerade die jungen Menschen persönlich zu einem Studium ermuntern, das für sie aufgrund ihrer Herkunft kei- neswegs selbstverständlich ist. Auch das ist ein Beispiel dafür, wie Stipendiatinnen und Stipendia- ten gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und sich für mehr Bildungsgerechtigkeit einsetzen. Interview: Cordula Avenarius n 20 Neuwahl des Kuratoriums 


































































































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