Page 10 - Jahresbericht 2018
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8 Vorwort des Präsidenten Die enge Verbindung von Volk und Staatsgewalt weist darauf hin, dass das Volk des Grundgesetzes Staatsvolk ist, und dieses Staatsvolk besteht grund- sätzlich aus den deutschen Staatsangehörigen (hinzukommen, als deutsche Besonderheit, die „Statusdeutschen“ nach Artikel 116 (1) GG). „Die Staatsan- gehörigkeit ist die rechtliche Voraussetzung für den gleichen staatsbürgerli- chen Status, der einerseits gleiche Pflichten, zum anderen und insbesondere aber auch die Rechte begründet, durch deren Ausübung die Staatsgewalt in der Demokratie ihre Legitimation erfährt“, wie es das Bundesverfassungsge- richt im Jahre 1990 formuliert hat. „Volk“ im Sinne des Grundgesetzes ist also kein ethnisch aufgeladener Begriff und auch kein solcher, der auf sprach- lich-kulturelle, religiöse oder durch gemeinsame historische Erfahrung be- gründete Homogenität abstellt. Angelegt ist die Verbindung von Volk (im Sinne von Staatsvolk) und Herrschaft bereits im Wort „Demokratie“ (das anknüpft an den Begriff dēmos und eben nicht an einen der anderen altgriechischen Be- griffe für Volk, wie insbesondere éthnos). Das Grundgesetz steht damit in der Tradition der von den Vertretern „du peuple français“ verabschiedeten Erklä- rung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789, der Einleitungsformel der US-amerikanischen Verfassung von 1787 („We the People of the United Sta- tes, in Order to form a more perfect Union ...“) und der Rede von Abraham Lincoln auf dem Schlachtfeld von Gettysburg (Demokratie ist die Herrschaft „of the people, by the people and for the people“; aufgegriffen in der Verfas- sung der Fünften Republik in Frankreich: „gouvernement du peuple, par le peuple et pour le peuple“). Und es steht auch in der Tradition der Weimarer Reichsverfassung, an deren Spitze (Artikel 1 (1)) ebenfalls der Grundsatz stand, dass die Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Die Verfasser der Weimarer Reichsverfassung hatten in Artikel 23 sogar weitreichende Möglichkeiten ei- nes Volksbegehrens vorgesehen. Dazu meint die ehemalige Bundesverfas- sungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff, die in der Nachkriegszeit vorherrschen- de Neigung, diese direktdemokratischen Elemente mitverantwortlich zu ma- chen für die Entartung der Weimarer Demokratie, trage „Züge eines Vergewis- serungsversuchs der Eliten, dass nur beim Volke und keineswegs bei ihnen die Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat lag“. Die Studienstiftung sieht sich in diesem Sinne als vom Souverän einer demo- kratischen Gesellschaft, dem deutschen Staatsvolk, getragen, und sie erkennt dankbar an, dass ihre Tätigkeit zum allergrößten Teil (zu mehr als 95 %) von der Bundesregierung und den Landesregierungen als Repräsentanten des deutschen Volkes finanziert wird. Sie versteht diesen Bezug auf das Staats- volk zudem als Aufgabe, fühlt sie sich doch nicht bestimmten Klassen oder 


































































































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