Interview: „Neue Kooperation in der Begabtenförderung“

Gemeinsame Veranstaltungen mit Geförderten der beruflichen und der akademischen Begabtenförderung ermöglichen spannenden Austausch.

Die Studienstiftung und die SBB – Stiftung Begabtenförderung berufliche Bildung haben 2023 verabredet, ihre bisherige Kooperation substanziell auszubauen. Die Studienstiftung öffnet zu diesem Zweck neu ihr Sprachkursangebot für Geförderte der SBB und bietet zusätzliche Plätze und Mitwirkungsmöglichkeiten in den Programmlinien „Stipendiat:innen machen Programm“ und „gemeinsam“. Dr. Jean-Pierre Palmier, Teamleitung Bildungsprogramm Wissenschaft der Studienstiftung, und Wolf Dieter Bauer, ehemaliger Geschäftsführer der SBB, teilen ihre Perspektiven auf die Ziele der Zusammenarbeit im Interview.

Die Studienstiftung des deutschen Volkes und die SBB – Stiftung Begabtenförderung berufliche Bildung machen gemeinsame Sache: Was erhoffen Sie sich von der Zusammenarbeit?

Palmier: Wir möchten mit der Kooperation unserer beiden Werke eine Brücke zwischen akademischer und beruflicher Bildung bauen, indem wir ihre gemeinsame Relevanz und die Bedeutung beruflicher Vielfalt für die Beschäftigung mit den gesellschaftspolitischen Herausforderungen der Gegenwart deutlich machen. Außerdem soll es nicht nur um die Möglichkeit der Teilnahme an Seminaren gehen, sondern auch um die enge Zusammenarbeit bei der Planung und Durchführung von gemeinsamen Veranstaltungen. Auf diese Weise kommen die Stipendiat:innen der Studienstiftung und der SBB zusammen und sammeln umfangreiche Praxiserfahrungen.

Bauer: Für mich steht ein Aspekt besonders im Vordergrund: Die Attraktivität einer Berufsausbildung weiter zu steigern. Denn im Mittelpunkt der Tätigkeit der SBB stehen berufliche Talente. Das sind Menschen, die ihre besondere Leistungsfähigkeit in Ausbildung und Beruf unter Beweis gestellt haben. Die SBB bietet ihnen ein Stipendium, um sich bedarfsgerecht fachlich und persönlich weiter zu qualifizieren. Die gemeinsamen Veranstaltungen mit der Studienstiftung machen die SBB-Stipendien für unsere Geförderten noch attraktiver. Und damit – als notwendiger Zugang – auch eine berufliche Erstausbildung, als gleichwertige Alternative zu einem Hochschulstudium.

Wie werden die Stipendiat:innen beider Förderwerke profitieren?

Bauer: Dass wir die Geförderten beider Programme zusammenbringen, hat insbesondere das gemeinsame Lernen zum Ziel und den Austausch zu fachlichen und gesellschaftlichen Themen aus wissenschaftlicher und praktischer Sicht. Das steigert das gegenseitige Verständnis füreinander. Somit fördern wir den Aufbau von tragfähigen Netzwerken – auch über die Stipendienzeit hinaus. Unsere Geförderten werden auch vom attraktiven Fremdsprachenprogramm der Studienstiftung profitieren, an dem sie ab 2024 teilnehmen können. Die Stipendiatinnen und Stipendiaten der Studienstiftung können im Gegenzug an Betriebsbesichtigungen teilnehmen, die von unseren Geförderten bei ihren aktuellen oder ehemaligen Arbeitgebern organisiert werden.

Palmier: Die Studienstiftung wird im von Herrn Bauer erwähnten Sprachkursprogramm in der Pilotphase bis zu 150 Plätze für interessiere Geförderte der SBB anbieten. Das Kursangebot umfasst zehn Sprachen, Kursorte sind etwa Istanbul, Florenz oder Barcelona. Mit diesem Angebot ermöglichen Studienstiftung und SBB ihren Geförderten eine Internationalisierung ihrer akademischen und beruflichen Ausbildung und interkulturelle Erfahrungen. Dass unsere Stipendiat:innen gemeinsam mit den Geförderten der SBB ins Ausland reisen, öffnet eine gemeinsame, aber differenzierte Perspektive auf die Gastgeberländer und weitet den Blick für kulturelle und soziale Unterschiede zur persönlichen Erfahrungswelt.

Die Kooperation ist noch recht neu, welche Erkenntnisse konnten Sie schon gewinnen?

Bauer: Unsere gemeinsamen Veranstaltungen sind für die Geförderten beider Stiftungen sehr lohnend. Gewinnbringend ist für mich vor allem die Berufserfahrung unserer Geförderten. Sie bereichert die Diskussion in den Seminaren. Das ist mir bei der gemeinsamen Veranstaltung „Kinderschutz in Deutschland als gesamtgesellschaftliche Aufgabebesonders deutlich geworden. Unsere einschlägig qualifizierten Fachkräfte mit Berufsausbildung, insbesondere die teilnehmenden Erzieherinnen, haben wesentliche neue Aspekte eingebracht.

Palmier: Die Teilnahme der Geförderten der SBB ist nicht nur für unsere stipendiatisch organisierten Veranstaltungen ein Gewinn, fachlich wie menschlich. Neben der beruflichen Erfahrung trägt auch ihre Lebenserfahrung – unsere Stipendiat:innen sind im Schnitt deutlich jünger – entscheidend zu einem perspektivreichen Austausch bei. Gesamtgesellschaftliche Aufgaben erfordern gemeinsam entwickelte Lösungsansätze und setzen damit auch eine persönliche Offenheit für Standpunkte anderer voraus. Nach meiner Beobachtung ist der Austausch auf den gemeinsamen Veranstaltungen mehr als offen – er ist geprägt von Neugier und der Lust, den eigenen Erfahrungshorizont zu überschreiten. Dieses konstruktive Miteinander möchten beide Institutionen unbedingt ausbauen.

Zur Person

Wolf Dieter Bauer (li.) war bis Ende November 2023 Geschäftsführer der SBB – Stiftung Begabtenförderung berufliche Bildung. Dr. Jean-Pierre Palmier (re.) leitet das Team Bildungsprogramm Wissenschaft in der Studienstiftung.