Engagementpreis 2023, Finalist: Ben Balsmeier, Zeugen der Flucht Dresden e.V.

Zeugen der Flucht teilen ihre Erfahrungen in Schulen: „Die Realitäten, die aufeinanderprallen, sind teilweise hart“

In sächsischen Schulen unter anderem in Dresden, Leipzig und Radeberg teilen Geflüchtete ihre persönlichen Erfahrungen mit Schülerinnen und Schülern, die wiederum die Möglichkeit haben, eigene Fragen zum Thema Flucht zu stellen. Miteinander statt übereinander sprechen – dafür setzt sich der Dresdner Student Ben Balsmeier in diesen Workshops ein. Mit dem Verein Zeugen der Flucht Dresden e.V. vernetzt der 23-Jährige seit 2019 Menschen mit und ohne Fluchterfahrung miteinander, um einen interkulturellen Austausch zu schaffen und damit eine offene, demokratische Gesellschaft ohne Rassismus zu fördern.

Ben Balsmeier studiert seit 2019 Internationale Beziehungen mit einem Schwerpunkt auf internationaler Politik im Bachelor an der Technischen Universität Dresden und ist seit 2020 Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes.

Der 23-Jährige engagiert sich seit 2019 für die Initiative Zeugen der Flucht, einem in Freiburg ansässigen Verein, 2022 gründete er den Verein Zeugen der Flucht Dresden e.V. nach dem Freiburger Vorbild . Als Vereinsvorsitzender in Dresden setzt er sich dafür ein, dass Menschen mit Fluchterfahrungen in Deutschland nicht diskriminiert oder rassistisch angefeindet werden. Der Verein bietet Workshops in  sächsischen Schulen und auch auf Festivals, bei Stiftungen oder Parteien an: Nach einer Präsentation und einem interaktiven Quiz, das in das Thema einführt, teilen Menschen mit Fluchterfahrung ihre persönlichen Geschichten und beantworten Fragen zum Thema Flucht.

Interview mit Ben Balsmeier

Herr Balsmeier, was ist das Ziel Ihrer Arbeit und wie funktioniert Zeugen der Flucht Dresden e.V.?

Das Ziel unserer antirassistischen Bildungsarbeit ist es,  Schüler:innen – insbesondere jenen ohne Fluchterfahrung – einen persönlichen Zugang zum Thema Flucht zu ermöglichen. Wir bieten einen differenzierten Zugang auf der menschlichen Ebene. Ein Beispiel: Unser Vorstandsmitglied Saied Karabij, der aus Syrien geflohen ist, erlebt Rassismus, Diskriminierung und plumpe Klischees im Alltag. Er engagiert sich bei Zeugen der Flucht Dresden e.V., weil er mit Jugendlichen ins Gespräch kommen will und ihnen seine Perspektive erläutern möchte, warum er seine Heimat verlassen hat. Wir wollen, dass sie miteinander statt übereinander sprechen, um Vorurteile zu überdenken oder abzubauen.

Mit Ihrer Initiative bieten Sie Workshops in Schulen an, Geflüchtete kommen mit Jugendlichen in einem Sitzkreis zusammen und unterhalten sich. Wie reagieren die Schüler:innen in den Workshops?

Wenn ich mit Saied zum Beispiel Oberschulen und Gymnasien in Dresden oder Radeberg besuche und Saied seine Fluchtgeschichte erzählt, löst das bei den Jugendlichen Nachdenken und Fragen aus, sie kommen ins Gespräch. Einige sind berührt; sie erfahren, dass hinter den Zahlen in den Medien persönliche Geschichten vom Überleben stecken.

Können diese persönlichen Begegnungen eine Haltungsänderung auslösen?

Die Realitäten die aufeinander prallen sind teilweise hart. Bei einem Schulbesuch haben wir zu Beginn von Kindern rassistische und den Nationalsozialismus verherrlichende Kommentare gehört, sie waren dem Austausch mit einem Geflüchteten gegenüber negativ eingestellt. Nachdem wir Informationen zum Thema Flucht vermittelt und ein Vereinsmitglied seine Fluchtgeschichte erzählt hat, waren sie anscheinend emotional berührt und fragten nach. Offenbar konnten wir durch die persönlichen Begegnungen etwas in ihrer Einstellung gegenüber Geflüchteten öffnen.

„Ich möchte etwas gegen Diskriminierung tun. Der persönliche Austausch ist meiner Meinung nach ein Mittel gegen Rassismus.“

Warum engagieren Sie sich persönlich für antirassistische Bildungsarbeit?

2016 entwickelte sich ein starkes zivilgesellschaftliches Engagement für Menschen, die geflohen sind. Zur gleichen Zeit fiel mir auf, wie abwertend, diskriminierend und undifferenziert teilweise in der Öffentlichkeit, in den Medien und in persönlichen Gesprächen über Menschen gesprochen wird, die ihre Heimat zum Beispiel aufgrund von Krieg oder politischer Verfolgung verlassen. Ich möchte etwas dagegen tun, und der persönliche Austausch ist meiner Meinung nach ein Mittel und eine wirksame niederschwellige Methode gegen Rassismus.

Was sind Ihre Aufgaben im Verein Zeugen der Flucht Dresden e.V.?

Ich organisiere die Vereinsarbeit. Ein Beispiel: Wenn ich Schulen per E-Mail kontaktiere und von unserem Angebot berichte, meldet sich meist niemand zurück. Dann rufe ich an, manchmal erhalte ich eine Antwort. Wenn Interesse signalisiert wird, vereinbaren wir ein Gespräch in der Schule. Bei den Schulen, die einmal mit uns zusammengearbeitet haben, läuft es in der Regel weiter. Während unserer regelmäßigen Vereinstreffen planen wir dann nächste Aufgaben, bereiten die Workshops in Schulen vor und essen gemeinsam etwas.

Wie viele Spendengelder benötigen Sie und wofür möchten Sie diese einsetzen?

Wir sind studentisch, dynamisch, bottom-up organisiert, so dass Menschen sich schnell und niederschwellig engagieren können. Wir möchten auch künftig zwei Minijober:innen für administrative sowie organisatorische Aufgaben und Social Media einstellen. Die Vereinsarbeit wäre ohne diese zwei Mitarbeiter:innen nicht im aktuellen Umfang möglich. Für diese Personalkosten benötigen wir 7.000 Euro pro Jahr.

Mit einer Spende von 50 Euro kann man zum Beispiel dazu beitragen, dass wir unsere Workshops auch in Grundschulen umsetzen können, da wir mit diesen Mitteln Material kaufen können, um unser Konzept interaktiver sowie kinderfreundlicher zu gestalten.

Wie können Personen Ihr Projekt außerdem unterstützen?

Personen können unser Projekt unterstützen, indem Sie uns auf Instagram (zeugenderflucht_dresden) folgen und unsere Sticker kleben, wodurch unsere Message verbreitet wird. Wer uns auf Instagram oder per E-Mail schreibt, dem senden wir gerne Werbematerial zu. Wir freuen uns auch über Einladungen, einen Workshop zu veranstalten oder darüber, wenn andere bei Schulen und in Organisationen Werbung für uns machen. Wir wären auch froh, wenn sich das Projekt ausweitet und Personen Zeugen der Flucht in ihrer Stadt gründen.

Wie verlief Ihr Weg zur Studienstiftung?

Ich bin über den Schulvorschlag zur Studienstiftung gekommen, weswegen meine größte Unterstützerin wohl meine damalige Deutsch-LK-Lehrerin war, die mich vorgeschlagen hat. Ich wusste weder, was die Studienstiftung ist, noch dass man überhaupt ein Stipendium für ein Studium in Deutschland bekommen kann, weswegen ich ohne diesen Vorschlag heute wohl nicht von der Förderung profitieren würde. Ermutigend ist, dass ich jetzt trotzdem dabei bin – ich kann daher nur alle ermutigen, sich nicht einschüchtern zu lassen, auch wenn zuerst Zweifel da sind, , ob man in die Studienstiftung reinpasst.

Für seinen Einsatz zeichnet die Studienstiftung des deutschen Volkes Ben Balsmeier als Finalist im Rahmen des Engagementpreises 2023 aus.

Weitere Informationen, Kontakt und Spendenmöglichkeit

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Stand: November 2022