Finalistin: Tiaji Maynell Sio, Diversitry

Im Einsatz für mehr Repräsentanz und Teilhabe von Menschen mit Migrationsgeschichte in der Bundesverwaltung

Die Stipendiatin Tiaji Maynell Sio setzt sich mit dem Projekt „DIVERSITRY“ dafür ein, dass sich die gesellschaftliche Vielfalt stärker in Ministerien und nachgeordneten Behörden widerspiegelt. Die 25-Jährige unterstützt dabei mit Rat, informiert und sensibilisiert auf Veranstaltungen für das Thema „Diversität“ im Personalmanagement. Zudem ermutigt sie junge Menschen mit Migrationsgeschichte, sich für die Arbeit in Behörden zu entscheiden.

Tiaji Maynell Sio absolvierte ein duales Studium beim Auswärtigen Amt. Während ihres Studiums beschäftigte sie sich im Rahmen ihrer Diplomarbeit mit der UN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“ und der wirtschaftlichen Stärkung von Frauen in Nachkriegssituationen. Zudem absolvierte sie ein Masterstudium in International Development an der University of Edinburgh. Anschließend war sie in der Protokollabteilung in der Zentrale des Auswärtigen Amts in Berlin tätig sowie an den Deutschen Botschaften in Senegal, Mosambik und zuletzt Vietnam.

Sio gründete 2019 das Projekt „DIVERSITRY“. Das Projekt soll zur Teilhabe und Inklusion in der Bundesverwaltung beitragen, indem unter anderem People of Color ermutigt werden, sich für den öffentlichen Dienst zu bewerben.

Seit 2021 studiert die 25-Jährige an der Harvard University – John F. Kennedy School of Government in Cambridge, Massachusetts, in den Vereinigten Staaten als McCloy-Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes. An der Harvard Kennedy School beschäftigt sie sich mit der Frage, wie Außen- und Sicherheitspolitik inklusiv gestaltet werden können.

Interview mit Tiaji Maynell Sio

Frau Sio, Sie engagieren sich mit Ihrer Initiative „DIVERSITRY“ für mehr Diversität und Inklusion in der Bundesverwaltung. Wie kamen Sie zu diesem Projekt?

Die Verwaltung spiegelt die Vielfalt der deutschen Gesellschaft derzeit noch nicht wider. Laut einer Beschäftigtenumfrage des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung haben in der Bundesverwaltung nur zwölf Prozent der Beschäftigten einen Migrationshintergrund – im Vergleich zu 26 Prozent in der Gesamtbevölkerung. Ich möchte dazu beitragen, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass inklusive Verwaltungsstrukturen sowie die adäquate Repräsentation aller Teile unserer Gesellschaft in einer offenen, demokratischen Gesellschaft unabdingbar sind. Um diesen Prozess aktiv mitzugestalten, unterstütze ich seit Anfang 2021 mit der Initiative „DIVERSITRY“ die ehrenamtlichen Diversitätsinitiativen in den Bundesministerien.

„Die Verwaltung spiegelt die Vielfalt der deutschen Gesellschaft derzeit noch nicht wider.“

Wie genau verläuft diese Unterstützung, können Sie einmal einen Einblick in den Alltag Ihrer Initiative „DIVERSITRY“ geben? Wie sieht Ihrer Meinung nach ein Diversitätsmanagement im öffentlichen Dienst aus?

Mit „DIVERSITRY“ unterstützen wir Beschäftigte, die sich für inklusive und diskriminierungsfreie Strukturen einsetzen wollen, bei der Gründung und beim Aufbau von Beschäftigtennetzwerken. Oft möchten sich Beschäftigte austauschen und engagieren, wissen aber nicht wie. Für diese Beschäftigten haben wir eine Handlungsanleitung erstellt, um ihnen diesen Prozess zu erleichtern. Gleichzeitig fehlt es Beschäftigten häufig an einem Netzwerk, an das sie sich bei Fragen oder Problemen wenden können. Deswegen haben wir ein regelmäßig stattfindendes Netzwerktreffen ins Leben gerufen, das zum Erfahrungsaustausch und der Entwicklung von Best-Practice-Beispielen dient.
Ein umfassendes Diversitätsmanagement beinhaltet mehrere Komponenten. Mit „DIVERSITRY“ setze ich mich für eine institutionelle Verankerung zur Förderung von Diversität und Inklusion ein, dazu gehört zum Beispiel ein personell und finanziell gut ausgestattetes Referat, das sich mit allen Diversitätsdimensionen beschäftigt. So kann sichergestellt werden, dass Diversität auf allen Ebenen mitgedacht wird und Beschäftigte, die Diskriminierungserfahrungen machen, eine Anlaufstelle haben.

Was genau ist ein Diversitätsnetzwerk, wie entsteht solch ein Netzwerk und wie arbeitet es im Alltag?

Ein Diversitätsnetzwerk in der Verwaltung wird in der Regel von Beschäftigten ins Leben gerufen, die sich im Bereich Diversität engagieren und vernetzen wollen. Bisher gibt es kein Netzwerk, das sich mit allen Diversitätsdimensionen beschäftigt, sondern vielmehr handelt es sich um informelle, ehrenamtliche Netzwerke, die sich mit einzelnen Dimensionen zum Beispiel hinsichtlich sexueller Identität, Geschlecht oder ethnischer und kultureller Herkunft beschäftigen. Was alle Netzwerke gemein haben ist, dass sie im regelmäßigen Austausch mit den Personalverantwortlichen, der Leitung und den Beschäftigten stehen, um auf die Bedeutung der gezielten Förderung einer inklusiven Hauskultur und dem Abbau diskriminierender Strukturen aufmerksam zu machen. Weiterhin organisieren sie sowohl interne als auch öffentliche Veranstaltungen zum Beispiel anlässlich des „Diversity Days“. Gelegentlich werden die Beschäftigtennetzwerke auch beratend zu inhaltlichen und strategischen Fragen miteinbezogen.

Warum engagieren Sie sich?

Diversität und Inklusion sind ein integraler Bestandteil des freiheitlichen Rechtsstaats. Eine gerechte Gesellschaft und die stabile Zukunft der Demokratie fußen auf gleicher Teilhabe. Ich möchte dazu beitragen, dass das Potenzial aller anerkannt wird und individuelle Merkmale wie Aussehen, Herkunft oder Name nicht mehr zu Benachteiligungen führen können. Vielfalt muss als Chance und nicht als Hindernis begriffen werden, so dass beispielsweise kulturelle oder ethnische Herkunft nicht mehr über den eigenen Lebensweg entscheiden. In Zeiten des demographischen Wandels und der Herausforderungen, die der öffentlichen Verwaltung in der Personalgewinnung daraus erwachsen, kommt es besonders darauf an, das Teilhabeversprechen unserer Demokratie einzulösen.

Was haben Sie bereits bewirkt?  

Das Projekt „DIVERSITRY“ baut auf den Erfahrungen des ehrenamtlichen Beschäftigtennetzwerks „Diplomats of Color“ im Auswärtigen Amt auf, das ich 2019 ins Leben gerufen habe. In unserem Gründungsteam war uns wichtig, die Selbstverständlichkeit von Diversität aus unserem Lebensumfeld in den Großstädten, aus denen wir kommen, auch in den öffentlichen Dienst zu tragen. Nach diesem Modell konnte „DIVERSITRY“ innerhalb von acht Monaten vier weitere Diversitätsnetzwerke bei der Gründung und in ihrem Aufbau in Ministerien unterstützen und die Gruppen untereinander vernetzen. Wir laden zum Beispiel zu Veranstaltungen ein, etwa zum Thema „Deutschlandbild im Ausland: Diversität als Stärke einer modernen pluralistischen Gesellschaft”. Wir haben darüber gesprochen, wie im Auswärtigen Amt und der Bundesverwaltung die Diversität unserer Gesellschaft besser abgebildet, und wie die Potenziale unserer vielfältigen Gesellschaft besser erkannt und kommuniziert werden können. Dabei ermutigen wir Menschen mit Migrationsgeschichte, sich im öffentlichen Dienst zu bewerben

Welche Reaktionen erhalten Sie auf Ihre Initiative?

In den Institutionen stoßen wir insgesamt auf positives Echo – so werden wir bereits seit unserer Gründung aktiv und parteiübergreifend von führenden Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft unterstützt. Darüber hinaus freut es mich auch zu sehen, wo wir im Einzelfall ermutigend wirken können: Kurz nach Gründung unserer Initiative erreichte mich eine Nachricht einer jungen Person mit Migrationsgeschichte, die ebenfalls in einem Ministerium beschäftigt ist. Sie dankte uns für unser Engagement, weil es ihr Motivation gibt, in schwierigen Situationen aufzustehen und darauf hinzuweisen: „Nein, das ist diskriminierend, ich akzeptiere das nicht.“ Denn die öffentliche Verwaltung ist für alle da, unabhängig von Herkunft, Aussehen oder Namen.

Wie können interessierte Personen Ihr Projekt unterstützen?

„DIVERSITRY“ freut sich über Interesse an unserer Arbeit, den Ausdruck von Solidarität und Hinweise auf weitere Kooperationsmöglichkeiten mit Beschäftigteninitiativen in der Bundesverwaltung, anderen Organisationen oder Stiftungen.

Wie sind Sie zur Studienstiftung gekommen?

Ich bin durch das McCloy-Fellowship-Programm zur Studienstiftung des deutschen Volkes gekommen. Das McCloy -Programm ermöglicht ein zweijähriges Masterstudium an der Harvard Kennedy School. Es ist das höchstdotierte Programm der Studienstiftung und eines der ältesten und traditionsreichsten internationalen Fellowships Harvards. Ziel des Programms ist es, Führungskräfte für anspruchsvolle öffentliche Aufgaben in Deutschland und bei internationalen Organisationen auszubilden und die transatlantischen Beziehungen zu stärken. Der öffentliche Dienst liegt mir persönlich sehr am Herzen. Meine neu gewonnenen Erkenntnisse möchte ich anschließend wieder in den Auswärtigen Dienst einbringen.

Für ihren Einsatz zeichnet die Studienstiftung des deutschen Volkes Tiaji Maynell Sio als Finalistin im Rahmen des Engagementpreises 2022 aus.

Weitere Informationen und Kontakt

  • Kontakt: Tiaji Maynell Sio tiaji.sio[at]diversitry.com, Diba Mirzaei diba.mirzaei[at]diversitry.com, Fabian Koenig fabian.koenig[at]diversitry.com 
  • Website: www.diversitry.com
  • Social Media: DIVERSITRY auf Instagram

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